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Herr Thieme, Sie spielten gerade einen Politiker in der TV-Serie "Die Stadt und die Macht". Würde Sie die Politik reizen?

Nie im Leben. Ich bin Schauspieler, und das ist gut so. Schrecklich sind die Schauspielkollegen, die sich in den Plaudertalkshows zu Hobbypolitikern aufschwingen und mit betroffener Miene Plattitüden von sich geben. Das ist wahre Satire.

Sie spielten auch Uli Hoeneß und Helmut Kohl. Wie ist es, einen lebenden Promi zu verkörpern?

Hoeneß war für mich in letzter Zeit das Spannendste, was ich mir vorstellen kann. Einen Menschen für sich erfinden zu können, der so aktuell im Fokus der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit steht: Das ist eine sehr angenehme Seite dieses Berufes.

"Einen Menschen für sich erfinden"? Wie meinen Sie das?

Es wäre ein Fehler gewesen zu versuchen, eine Kopie von Hoeneß oder Kohl zu liefern. Das ist sinnlos. Dazu sind diese Unikate den Menschen viel zu präsent – der Dialekt von Kohl, der rote Kopf von Hoeneß. Der Reiz ist, dass ich mich nicht unter Druck setzen lasse von einer falschen Authentizität, sondern sage: "So, ich gebe euch jetzt meinen Hoeneß, den richtigen seht ihr in der ,Tagesschau‘."

Welche historische Figur reizt Sie schauspielerisch am meisten?

Winston Churchill. Mit dieser unerfüllten Liebe werde ich wahrscheinlich sterben, denn er war Engländer, und in Deutschland wird man wohl kaum einen Churchill-Film drehen. Und falls doch, spielt ihn dann sicher ein dicker Engländer.

Was fasziniert Sie so an Churchill?

Ich habe fürs Radio sechs Folgen eingelesen aus seinem Werk über den Zweiten Weltkrieg. Ich habe das verschlungen, das war ein unglaublicher Mann. Aber wo viel Licht ist, ist auch Schatten – ich bin mir durchaus bewusst, dass auch er kein Heiliger war.

"Sie sehen immer einen gescheiterten Architekten, der vor Leuten auftritt und dabei Wut bekommt", sagten Sie mal über sich.

Gutes Theater kannst du nur spielen an der Grenze des Kontrollverlustes. Du musst weit, weit gehen emotional, nicht alles ordentlich auswendig lernen und aufsagen, um nur ja niemandem wehzutun. In mir lief aber immer ein Architekt mit, ein Konstrukteur, ein strukturierender Mensch.

Warum sind Sie nicht Architekt geworden?

Die Schauspielerei war schneller. Ich hatte mich in Weimar an der Architekturhochschule beworben. Doch ich ahnte, dass das ein schwerer Weg sein würde, auch die Armeezeit kam dazwischen. Ich zündete einfach mein anderes großes Interesse und hatte das Glück, an der Schauspielschule angenommen zu werden.

Sie stellten einen Ausreiseantrag aus der DDR. Gab es Repressalien?

Ja, sicher. Ich war dann an meinem Theater isoliert. Der Intendant konnte mich nicht mehr in den Hauptrollen besetzen.

Was hätten Sie bei einer Ablehnung gemacht?

Du darfst nicht darüber nachdenken, ob es gelingt oder nicht. Diese Gedanken habe ich mir verboten.

Vor zehn Jahren sind Sie zurück nach Weimar gezogen. War das der Sog der Heimat?

Ja, unbedingt. Ich kenne hier alles, jede Ecke, es ist ruhig, es ist mehr oder weniger eine Rentnerstadt, es sind durch die Hochschulen aber auch Studenten da, aber die benehmen sich anständig (lacht). Man kann hier sehr schön leben.

Worüber können Sie lachen?

Über Alltagskomik. Ich kann überhaupt nicht lachen über Dinge im Fernsehen, die lustig sein sollen. Wenn man groß geworden ist mit Charlie Chaplin, Buster Keaton, Laurel und Hardy, kommt man aus dem Staunen nicht heraus, was nun deren Stelle einnehmen soll.

Worüber können Sie sich ärgern?

Mich macht jetzt in der Flüchtlingskrise der Mangel an Mitgefühl in Teilen der Bevölkerung fassungslos. Dieser ekelhafte Hass auf Menschen, die sie nicht kennen, die teilweise in höchster Not sind, das ist momentan für mich das Schlimmste.

Was mögen Sie an sich?

Mein Gehirn. Mit dem bin ich ganz zufrieden.

Und was mögen Sie gar nicht?

Dass ich immer älter werde. Meine Fantasie ist zu groß, als dass ich mir einreden könnte, dass das Leben nicht mühsamer würde.

Spüren Sie Altersweisheit?

Nein, vielmehr stellt sich eine Altersverunsicherung ein. Alles, was ich mit 40 Jahren zu wissen glaubte, habe ich jetzt kurz vor 70 über Bord geworfen. Ich war ja jahrzehntelang auch Schauspiellehrer, und wenn ich heute darüber nachdenke, was ich da so alles verkündet habe, wird mir schwindlig. Endgültige Weisheiten kenne ich in meinem Beruf heute nicht mehr, nur noch, dass das Spiel unbedingt persönlich sein muss.

Was möchten Sie gerne lernen?

Ach je ... ich wollte ein Instrument lernen – nichts. Ich wollte eine Fremdsprache richtig gut sprechen – nichts. Ich bin leider nicht so ein fleißiges Bienchen, dass ich mich neben der Arbeit noch zu einem Volkshochschulkurs aufgerafft hätte. Zum Glück neige ich nicht dazu, mich deswegen zu zermartern. Immerhin habe ich von meinem Sohn, der Musiker ist, endlich etwas Gitarre gelernt.

Wohin möchten Sie noch reisen?

Ich will keine anstrengenden Reisen mehr machen. Was nicht heißt, dass nicht doch mal ein Impuls kommt.

Was würden Sie gerne ändern, wenn Sie die Macht dazu hätten?

Dass der Mensch des Menschen schlimmster Feind ist. Vielleicht gelänge das ja durch große Weisheit? Aber nicht einmal der Papst oder der Dalai Lama punkten da, obwohl sie sich wirklich eine Heidenmühe geben.

Zur Person:

  • Thomas Thieme wurde am 29. Oktober 1948 in Weimar geboren.
  • Klassisch: Nach Abschluss der Staatlichen Schauspielschule in Ost-Berlin Theaterengagements in Magdeburg und Halle. 1984 siedelte er nach Frankfurt/Main über. Der Mime stand u.a. im Schauspiel Frankfurt, im Wiener Burgtheater, an der Berliner Schaubühne und im Schauspielhaus in Hamburg auf der Bühne und wirkte bei zahlreichen Fernsehproduktionen mit.
  • Heimisch: Thieme hat drei erwachsene Kinder aus drei Beziehungen und lebt wieder in Weimar.

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