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Senioren Ratgeber: In Ihrer kürzlich erschienenen Autobiografie erzählen Sie über Ihr turbulentes Leben. Hat sich Ihr Einsatz für eine friedlichere Welt gelohnt?

Schon als Kind hatte ich das Gefühl, ich sei auf diesen Planeten geworfen worden mit der Aufgabe, zu dessen Glück beizutragen. So bin ich 1958 als überzeugte Pazifistin zum ersten Mal bei einer Friedensdemo mitmarschiert, gegen die Wiederaufrüstung – heute töten sich immer noch Menschen gegenseitig mit deutschen Waffen, das ist unerträglich. Sollte der Widerstand vergeblich gewesen sein, so war er doch "Not"-wendig: Ich gehöre zu denen, die immer wieder das berühmte Apfelbäumchen pflanzen, auch wenn morgen die Welt unterginge.  

Worauf sind Sie besonders stolz?

Stolz wäre das falsche Wort, eher glücklich, weil ich durch meine Bücher im Bewusstsein vieler Menschen einiges bewirken konnte. Viele gehen bewusster mit sich selbst, anderen Menschen, der Natur und den Tieren um und haben nebenbei zu mehr Lebensqualität gefunden.

Wo verläuft die Grenze zwischen Zu-seinen-Überzeugungen-Stehen und Starrsinn?

Das hängt wohl vom Betrachter ab. Uns Skorpionen ist ein fast verrückter Gerechtigkeitssinn in die Wiege gelegt worden. Wir setzen uns für unsere Überzeugungen ein, auch wenn uns das Kopf und Kragen kostet. Außerdem hinterfrage ich täglich, ob ich die bin, für die ich mich halte – und bin bereit, mein Leben radikal zu verändern, wenn die Richtung nicht mehr stimmt. Fährt der Zug in die falsche Richtung, springe ich ab, auch wenn ich mir dabei sämtliche Knochen breche. Leicht wird das Leben dadurch nicht – aber spannend. 

Sie haben dafür einen hohen Preis bezahlt …

Die schönen Dinge des Lebens blieben oft auf der Strecke, die Zeit für Freundschaften, meine Gesundheit hat gelitten. Ich bin wohl als eine Art Maulwürfin gedacht: Die buddelt und buddelt, im Dunkeln, in harter Erde, wenig anerkannt – aber eines Tages sind wunderschöne weiche Hügel entstanden, auf denen gesät und geerntet werden kann. Ich kann heute die Früchte meiner Arbeit ernten. Diese Altersphase ist die glücklichste meines langen Lebens.  

Wie gehen Sie mit dem Thema Älterwerden um?

Bis zu meinem Burnout mit 82 habe ich es kaum gespürt. Dann machten sich plötzlich die Fehler in der Lebenshaltung bemerkbar – das angeknackste Herz mit Vorhofflimmern, die von meinen vielen Hunden und Pferden zugefügten Blessuren an Gelenken und Muskeln und einiges mehr. Ich bin eben "durchs Leben getobt". Sollte ich weitere zwölf Jahre durchhalten, wäre ich hundert – diese Vorstellung ist so irre komisch, dass ich sie oft für eine Lachmeditation verwende.  

Spüren Sie Altersweisheit?

Ich gehe gelassener mit Herausforderungen um, lerne gerade, auch mal Nein zu sagen, nicht immer perfekt sein zu müssen, zu verzeihen – auch mir selbst.

Warum sind Sie Schauspielerin geworden?   

Mit fast 20 Jahren war ich zum ersten Mal im Theater und fasziniert von einer Schauspielerin, die in ihrer Rolle die Welt retten wollte. Das wollte ich auch! Dazu kam wohl der Wunsch, aus dem schwer zu ertragenden Nachkriegsalltag in eine schönere Scheinwelt zu entfliehen.

Ihre Seele habe Schaden genommen bei der Schauspielerei, sagen Sie. Inwiefern?

Sie hätte Schaden genommen, wenn ich den Beruf nicht aufgegeben hätte. Die "Großen", mit denen ich spielte, waren alle ziemliche Egomanen. "So will ich nicht werden", spürte ich deutlich, als nach "Stadt ohne Mitleid" mit Kirk Douglas Hollywood winkte – und sprang wieder einmal rechtzeitig aus dem Zug. Ich habe das auch nie bereut.

Von Klaus Kinski haben Sie das Lebensmotto übernommen: "Wer mich beleidigt, bestimme ich!"

Weil ich mich nie habe verbiegen lassen und immer meine Meinung sage, bin ich oft Anfeindungen ausgesetzt. Statt mich lange zu ärgern, sage ich: Wer mich beleidigt, bestimme ich! Ein sehr gutes Motto.

Hätten Sie sich träumen lassen, dass fleischloses Essen heute so populär sein würde?

Träumen schon – aber kaum für realistisch gehalten. Der Erfolg übertrifft meine kühnsten Erwartungen. Und ich darf wohl behaupten, dass ich dazu entscheidend beigetragen habe.  

40 Jahre lang waren Sie Vegetarierin. Jetzt leben Sie vegan. Warum?   

Weil ich spürte: Vegetarisch reicht nicht, ich muss genauso auf Produkte von lebenden Tieren verzichten. 

Ist Ihnen der Verzicht auf Butter, Eier und Milch schwergefallen?

Zunächst ja. Die vegane Ernährung erfordert mehr Fantasie und Kreativität. Doch richtig zusammengestellt, ist sie so genussvoll, dass der Verzicht mehr als aufgewogen wird durch größere Vitalität und das Glücksgefühl, nicht länger am Leiden von Tieren mitschuldig zu sein.

Barbara Rütting, ihr Leben in Bildern

Haben Sie Tipps für ein gutes Altern?

Wach bleiben, ein pralles Leben führen, nicht so dahindümpeln. Nicht die gleichen Fehler machen wie ich: Machen Sie neue, machen Sie Ihre eigenen! Neugierig, begeistert bleiben, dankbar sein. Ich möchte freudig und lebenssatt gehen können, ohne mich noch einmal umzusehen.

Sie sind versiert mit E-Mail und Internet. War es schwer, in die Computerwelt einzutauchen?

Mit 75 Jahren habe ich durch meine Abgeordnetentätigkeit begonnen, mich mit Computer und Internet anzufreunden, und ich finde beides  toll. Das Internet ist wunderbar, um im Nu mit Gleichgesinnten in Kontakt zu kommen. Es muss nur verantwortungsvoll genutzt werden. Es ist wie bei dem berühmten Beispiel Messer: Damit kann man Brot schneiden – aber auch jemanden umbringen.

Zur Person

  • Geboren am 21. November 1927 in Berlin als Waltraut Goltz
  • Spielen, Schreiben: Älteste von fünf Kindern, Vater Lehrer. 1952 Schauspieldebüt, Bundesfilmpreis als beste Nachwuchsschauspielerin. Wirkte in 45 Filmproduktionen mit und schrieb zahlreiche Ratgeber, Koch- und Kinderbücher, zuletzt ihre Autobiografie "Durchs Leben getobt" (Herbig Verlag).
  • Schützen: Sechs Jahre saß die engagierte Umwelt- und Tierschützerin für die Grünen im Bayerischen Landtag. Rütting war zweimal verheiratet, sie hat keine Kinder.

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