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Ich pflege… 

meine Frau nach einer Gehirnblutung. An Heiligabend 2002 war sie in der Küche zusammengebrochen. Seitdem leben wir ein bisschen anders, aber wir leben. 

Meine Frau ist halbseitig gelähmt, hat Panikattacken und eine ausgeprägte Epilepsie. Es ist nicht leicht, jemanden 24 Stunden zu umsorgen. Wenn ich alle Schwierigkeiten beschreiben würde – das Buch hätte tausend Seiten. In der Klinik und Reha habe ich viel gelernt: lagern, bandagieren, in den Stuhl umsetzen. Mit der Pflege kann ich meiner Frau eine Menge zurückgeben. Schließlich hat sie früher den Haushalt gemacht, unsere Kinder erzogen und mir den Rücken freigehalten, damit ich arbeiten konnte.

Der Pflegeaufwand ist größer geworden, seitdem meine Frau inkontinent ist. Ich muss sie bis zu vier Mal am Tag frisch machen. Aber ich kenne das von meiner Mutter. Sie hatte Krebs und Parkinson, ihr hab ich auch schon auf die Toilette geholfen.

Das fällt mir schwer

Meine Frau hat Epilepsie. Das nimmt ihr viel Energie, aber mir auch. Wenn sie einen Anfall hat, funktioniere ich. Ich laufe ab wie eine Spieluhr, jede Tablette, jeder Handgriff sitzt. Danach fühle ich mich immer wie leer gepowert. Aber das Gefühl kommt immer wieder. Müde macht mich auch die ständige Kämpferei mit den Kassen. Als meiner Frau die Ergotherapie gestrichen wurde, bin ich sogar vors Sozialgericht gegangen und habe gewonnen. Das war anstrengend, aber ich würde es wieder machen. Unsere Kassen kalkulieren einfach mit der Resignation der Versicherten.

Das gibt mir Kraft

Wir führen ein wunderschönes, bewusstes Leben. Stress ist Gift für meine Frau, deshalb haben wir zuhause eine stressfreie Zone geschaffen. Sie liest leidenschaftlich gern und liebt das Tablet, das ich ihr zum 70. Geburtstag geschenkt habe. Es ist klasse, wie sie sich selbst beschäftigt. Wir sind auch oft zusammen unterwegs. Mittlerweile sitzt meine Frau im Rollstuhl - ich schiebe sie durchs Leben. Manchmal holen wir uns ein Eis und fahren zum Wanderparkplatz. Früher sind wir viel gewandert, es gab kaum ein Wochenende, an dem wir nicht draußen waren. Klar habe ich mir meinen Lebensabend anders vorgestellt. Aber das Leben ist immer noch lebenswert.

Manchmal gehe ich zur Erholung in eine kleine Imbissbude, wo ein toller Pott Kaffee gebraut wird. Oder ich lasse mir beim Frisör den Bart schneiden. Das ist Zeit, von der ich zehre. Ich brauche keinen ganzen Tag für mich, da würde ich mir zu viele Sorgen machen, aber ein paar Stunden sind schön.

Seitdem meine Frau pflegebedürftig ist, ist unsere Beziehung tiefsinniger, respektvoller geworden. Es hat sich eine neue Form der Intimität entwickelt, ich habe die allergrößte Hochachtung vor ihrem Körper und dem, was er leistet. Sie kann ja nichts dafür, sie hat sich nicht für die Hirnblutung beworben. Wenn ich als Partner versage, verliert sie ihre Wertigkeit.

Mein Tipp für andere

Pflege ist kein Zuckerschlecken, aber verliert nie euren Humor. Das ist ein Polster, auf den man sich in prekären Situationen zurücklehnen kann.