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Verhinderungspflege heißt: Jemand kümmert sich zuhause um Ihren Angehörigen, während Sie weg sind. Die Kasse zahlt in der Zeit die Betreuung. Pro Jahr gibt es dafür ein Budget von 1612 Euro. Auf die Verhinderungspflege haben pflegebedürftige Menschen einen gesetzlichen Anspruch. Die Kurzzeitpflege ist etwas sehr Ähnliches – nur wird der Angehörige dabei nicht zuhause betreut, sondern in einem Pflegeheim.

Wann brauche ich Verhinderungspflege?

Es gibt viele Gründe, verhindert zu sein. Pflege ist anstrengend und Sie brauchen auch einmal eine Pause. Vielleicht möchten Sie ein paar Stunden zum Sport, zum Frisör oder zu einer Selbsthilfegruppe gehen. Vielleicht sind Sie im Urlaub, auf Reha oder selbst krank. Warum Sie verhindert sind, ist nicht wichtig.

Voraussetzung:

Ihr Angehöriger muss den Pflegegrad 2 oder einen höheren Pflegegrad haben. Außerdem dürfen Sie die Verhinderungspflege erst nutzen, wenn Ihr Angehöriger schon seit mindestens sechs Monaten zuhause versorgt wird – ganz gleich, ob mit oder ohne Pflegegrad. Von wem er betreut wurde, spielt keine Rolle. Oft kann der Hausarzt bestätigen, dass Sie schon länger pflegen – etwa weil ­eine Krankheit des Partners seit Monaten oder Jahren fortschreitet.

Meine Erfahrung

Wer darf die Verhinderungspflege übernehmen?

Jeder kann die Ersatzpflege leisten. Eine Qualifikation braucht es nicht. Es kann eine Nachbarin oder Bekannte sein, ein ambulanter Pflegedienst oder auch nahe Verwandte, also: Eltern, Kinder, Enkel, Großeltern, Geschwister, Schwager.

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Für nahe Angehörige gelten besondere Bedingungen bei der Abrechnung!

Normalerweise gibt es für die Verhinderungspflege ein Budget von 1612 Euro im Jahr. Für nah verwandte Angehörige (bis zum 2. Grad) steht weniger Geld zur Verfügung. Im Jahr ist dafür ein Budget vorgesehen, das sich so berechnet: Pflegegeld im Monat x 1,5. Bei Pflegegrad 2 sind das also 1,5 x 316 Euro = 474 Euro, die im Jahr einmalig zur Verfügung stehen. Allerdings können Angehörige "aufstocken", in dem sie z.B. Fahrtkosten und Verdienstausfälle geltend machen. Diese Kosten werden von der Pflegeversicherung erstattet, bis der Betrag von 1612 Euro erreicht wird.

Wie rechne ich das ab?

Für die Verhinderungspflege steht Ihnen ein Budget von 1.612 Euro zur Verfügung. Wie Sie diese 1.612 Euro aufteilen und was Sie der Ersatzpflegeperson pro Stunde bezahlen, entscheiden Sie selbst. Meistens sind das Beträge zwischen dem Mindestlohn und 20 Euro. Wenn Ihnen das Budget von 1.612 Euro nicht reicht, können Sie auch einen anderen Budget-Topf zum Teil dazunehmen: die Kurzzeitpflege (s. unten).

Viele An­gehörige strecken das Geld vor und lassen es sich dann im Nachhinein von der Kasse erstatten. Manche Kassen überweisen das Geld auch direkt auf das Konto der Ersatzpflegeperson, wenn Sie deren Kontoverbindung angeben.

Verhinderungspflege gibt es für höchstens 6 Wochen im Jahr (=42 Tage), wenn Sie tageweise verhindert sind. Sie können die Tage auch ansparen – die Verhinderungspflege z.B. ein paar Monate gar nicht nutzen und dann für einen langen Urlaub einsetzen. Sie müssen das Budget aber im selben Kalenderjahr aufbrauchen.

Muss ich einen Antrag stellen?

Die meisten Kassen wünschen sich zwar einen Antrag, bevor Sie die Verhinderungspflege nutzen. Verpflichtet sind Sie dazu aber nicht. Sie können Ihre Unterlagen auch im Nachhinein an die Kasse schicken, um das Geld erstattet zu bekommen. Manche Familien machen das monatlich, andere halbjährlich oder jährlich.

In dem Schreiben muss stehen, wann und für wie lange die Ersatzperson da war und wie viel sie verdient hat. Fügen Sie Belege bei, also z.B. Unterschrift und Rechnung oder Kontoauszug.

Wichtig: Ist Ihr Angehöriger schon sehr gebrechlich, sollten Sie den ­Antrag stellen, bevor Sie etwas abrechnen möchten. Stirbt der Mensch plötzlich, bekommen Sie sonst das ausgelegte Geld nicht erstattet.

Was muss ich beim Ausfüllen des Antrags beachten?

Jede Kasse hat ein eigenes ­Formular. Bei mancher müssen Sie sogar ein unterschiedliches ausfüllen, je nachdem, ob ein Familienmitglied gepflegt hat oder ein Außenstehender. Fügen Sie Belege bei, wie Rechnungen, Kontoauszüge und Unterschriften. Wichtig ist, dass Sie mitteilen, wie lange Sie weg waren. Der Grund für Ihre Abwesenheit geht die Kasse nichts an. Im Zweifel kreuzen Sie "Sonstiges" an, wenn sie Felder dafür vorgibt.

Verhinderungspflege rückwirkend

Passen Sie auf, dass Ihr Budget für die Verhinderungspflege nicht verfällt. Sie wird z.B. für das Kalenderjahr 2018 gewährt. Wenn Sie sie nicht oder nicht vollständig genutzt haben, ist sie ab dem 31. Dezember verfallen.

Hat jemand bislang auf Ihren pflegebedürftigen Angehörigen aufgepasst, aber Sie haben nichts eingereicht – zum Beispiel, weil Sie nichts von diesem Budget wussten? Dann können Sie das Geld vier Jahre lang rückwirkend bekommen. Berufen können Sie sich dabei auf SGB I § 45 Abs. I. Wenn Sie die Leistung aber gar nicht genutzt haben, also niemand an Ihrer Stelle auf Ihren Angehörigen geschaut hat, gibt es kein Geld.

Gesetzliche Grundlage für die Verhinderungspflege: § 39 SGB XI

Wie hole ich das Meiste aus der Verhinderungspflege heraus?

1) Kurzzeitpflege ausnutzen:

Wenn Sie möchten, dass Ihr Angehöriger möglichst zuhause betreut wird, können Sie einen Teil des Budgets der Kurzzeitpflege in die Verhinderungspflege hinüberschaufeln. Einen Betrag bis zur Hälfte der Leistungen für Kurzzeitpflege (also bis zu 806 Euro) können Sie umwandeln. Dann haben Sie mehr Geld für die Verhinderungspflege.

Bild

Wir nutzten die Verhinderungspflege nicht – zumindest nicht im klassischen Sinn. Für uns war die Kurzzeitpflege praktischer: Da lebte mein Mann zeitweise in einem Pflegeheim. So konnte ich mal eine Woche in die Alpen fahren oder einen längeren Ausflug mit meinem Gospelchor machen. War der Budgettopf für die Kurzzeitpflege leer, rief die Kasse an und zapfte dann den Topf für die Verhinderungspflege an.

Rita Dillage, pflegte ihren Mann

2) Besser stundenweise verhindert:

Wichtig ist der Unterschied zwischen stunden- oder tageweiser Verhinderungspflege. Stundenweise bedeutet: Sie als Pflegeperson sind unter acht Stunden am Tag verhindert. Zum Beispiel, wenn Sie zwei Stunden beim Frisör sind, im Kino oder beim Sport.

Unter acht Stunden weg zu sein, ist oft günstiger. Wenn Sie nämlich einen ganzen Tag verhindert sind, wird das Pflegegeld gekürzt. Am ersten und letzten Tag der Verhinderung bekommen Sie das Pflegegeld noch vollständig. An den anderen Tagen bekommen Sie nur die Hälfte des Geldes.

Wenn Sie eine Woche im Urlaub sind oder im Krankenhaus liegen, geht es natürlich nicht anders, als tageweise verhindert zu sein. Bleiben Sie auf jeden Fall bei der Wahrheit.

Wichtig: Bei der stunden- oder tageweisen Verhinderungspflege geht es darum, wie lange Sie als Pflegeperson verhindert sind – nicht, wie lang Ihr Angehöriger von einer Ersatzperson betreut wird. Sind Sie also sechs Stunden mit Freunden unterwegs und drei Stunden ist jemand als Ersatz bei Ihrer Oma, zählt das als sechs Stunden. Wie Sie die Verhinderungspflege am besten für sich nutzen können, erklärt Ihnen ein Berater Ihrer Pflegekasse oder eines Pflegestützpunkts.

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Muss ich Steuern zahlen?

Wer Verhinderungspflege in Anspruch nimmt, muss das nicht versteuern – Sie haben dadurch ja keine Einnahmen, sondern geben das Geld weiter.

Für die Person, die den Betrag erhält, gilt: Es kommt darauf an. Wer bei der Pflege eines Angehörigen oder eines lieb gewonnenen Nachbarn hilft, muss die Einkünfte aus der Verhinderungspflege nicht versteuern. Das Stichwort lautet "sitt­liche Verpflichtung": Wenn Sie auch ohne Lohn geholfen hätten, bleibt es steuerfrei. Ist es für Sie aber ein Job, bei dem es Ihnen vorrangig ums Geldverdienen geht, müssen Sie da­rauf Steuern zahlen.

Fachliche Beratung:
Gudula Wolf, AWO Online- Pflege- und Seniorenberatung
Tina Land, Compass Pflegeberatung
Daniela Kowalzyk, AOK Bayern