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Bei den Pflegegraden geht es vor allem um Selbstständigkeit und die eigenen Fähigkeiten. Wo kommt jemand alleine zurecht, wobei braucht er Hilfe? So schätzen die Kassen ein, wie pflegebedürftig jemand ist. Es gibt fünf Pflegegrade. Eins heißt: Die Person ist nur wenig eingeschränkt. Fünf bedeutet: Die Person ist sehr schwer beeinträchtigt.

Es gibt also nicht einen fixen Pflegegrad für eine bestimmte Erkrankung, wie eine Demenzerkrankung oder Parkinson. Der Pflegegrad ist abhängig davon, wie schwere körperliche, psychische oder geistige Einschränkungen jemand hat. Außerdem muss absehbar sein, dass die Person eine ganze Weile beeinträchtigt ist – mindestens für ein halbes Jahr.

Nur wer einen Pflegegrad hat, bekommt Leistungen von der Kasse – also z.B. Pflegegeld oder Unterstützung durch einen Pflegedienst, der von der Kasse gezahlt wird. Je schwerer die Beeinträchtigung, desto mehr Leistungen der Pflegeversicherung bekommt man.

Wie bekommt man einen Pflegegrad?

  • Formloses Schreiben: Wenden Sie sich an die Pflegekasse Ihres Angehörigen, sie ist an die Krankenkasse angegliedert. Ein formloses Schreiben genügt, der Versicherte muss unterschreiben. Bei manchen Kassen können Sie den Antrag auch telefonisch oder über deren Website anfordern.

  • Antrag ausfüllen: Die Pflegekasse schickt Ihnen ein Antragsformular zu. Füllen Sie es am besten zusammen mit einem Experten (z.B. eines Pflegestützpunkts, hier finden Sie eine Beratungsstelle in Ihrer Nähe) aus, der die vielen Fachausdrücke kennt und erklärt. Schicken Sie das Formular, üblicherweise unterschrieben vom Versicherten, an die Pflegekasse zurück.

  • Besuch des Gutachters: Die Pflegekasse beauftragt einen Gutachter damit, den Pflegegrad zu ermitteln. Beim Hausbesuch spricht er mit dem Pflegebedürftigen und hält fest, wie mobil dieser ist und welche Hilfe er im Alltag braucht. Bei der Begutachtung sollte eine vertraute Person dabei sein. So können Sie sich auf den Termin vorbereiten.

  • Bescheid erhalten: Das Gutachten geht automatisch an die Pflegekasse. Diese prüft die Unterlagen, entscheidet, ob Pflegebedürftigkeit vorliegt, und teilt dem Betreffenden seinen Pflegegrad mit. Nach 25 Arbeitstagen – also etwa fünf Wochen nach Eingang des Antrags – muss der Bescheid vorliegen.

  • Evt. Widerspruch einlegen: Lehnt die Kasse den Antrag ab, kann der Versicherte innerhalb von einem Monat (schriftlich!) Widerspruch einlegen. Begründen Sie, warum der Bescheid in Ihren Augen nicht richtig ist. Hilfe kann man sich etwa einem Pflegestützpunkt holen. Wenn Ihr Widerspruch abgelehnt wird, ist das Sozialgericht zuständig.

Meine Erfahrung:

Marion Mahnke, Pädagogin und Coach für pflegende Angehörige

"Das Wichtigste ist: keine Scheu davor zu haben, einen Pflegegrad zu beantragen. Für viele ist es schwer, Schwarz auf Weiß zu sehen, welche Defizite ihr pflegebedürftiger Angehöriger hat. Aber das ist ein Marathon und kein Sprint. Ihr müsst seelisch und körperlich belastbar sein, um die Pflege die nächsten Jahre durchzuhalten."

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Wie schätzen Gutachter ein, ob jemand pflegebedürftig ist?

Vor dem Besuch des Medizinischen Dienstes (MD, ehemals MDK) machen Sie sich am besten mit dem Bewertungssystem vertraut. Die Gutachter schauen sich sechs verschiedene Lebensbereiche an – die sogenannten Module. Es geht vor allem darum, ob sich jemand selbst versorgen kann, ob er mobil ist und sprechen und verstehen kann. Außerdem wird geprüft, ob er unter Ängsten und Aggressionen leidet, seinen Alltag und sein Sozialleben meistern und mit Krankheiten umgehen kann.

Gemessen wird nach einem Punktesystem von 0 bis 100 Punkten. Die Antworten werden gewichtet und zusammengezählt. Nicht alle Lebensbereiche sind gleich wichtig – am wichtigsten ist, ob sich jemand selbst versorgen kann. Ob jemand mobil ist, zählt von den Bereichen am wenigsten. Je mehr Punkte man hat, desto höher ist der Pflegegrad, der sich ergibt.

  • Pflegegrad 1: 12,5 bis <27: geringe Beeinträchtigung
  • Pflegegrad 2: 27 bis < 47,5: erhebliche Beeinträchtigungen
  • Pflegegrad 3: 47,5 bis <70: schwere Beeinträchtigungen
  • Pflegegrad 4: 70 bis <90: schwerste Beeinträchtigungen
  • Pflegegrad 5: 90 bis 100: schwerste Beeinträchtigungen, dazu kommen besondere Anforderungen an die Pflege

Welche Leistungen bekomme ich, wenn ich einen Pflegegrad habe?

  • Pflegegrad 1: 0 Euro im Monat.

Allerdings kann man sich mit dem Entlastungsbetrag bis zu 125 Euro im Monat für bestimmte Hilfen erstatten lassen.

  • Pflegegrad 2: 316 Euro/Monat, wenn ein Angehöriger pflegt

689 Euro/Monat, wenn ein Pflegedienst pflegt

  • Pflegegrad 3: 545 Euro/Monat, wenn ein Angehöriger pflegt

1298 Euro/Monat, wenn ein Pflegedienst pflegt

  • Pflegegrad 4: 728 Euro/Monat, wenn ein Angehöriger pflegt

1612 Euro/Monat, wenn ein Pflegedienst pflegt

  • Pflegegrad 5: 901 Euro/Monat, wenn ein Angehöriger pflegt

1995 Euro/Monat, wenn ein Pflegedienst pflegt

Sie können das Pflegegeld ( = das Geld, das man bekommt, wenn ein Angehöriger pflegt) auch mit der Pflegesachleistung (= ein Pflegedienst pflegt) kombinieren.

Was steht Ihnen noch zu? Das erfahren Sie hier.

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"Auch Kinder können einen Pflegegrad bekommen! Kinder sind natürlich immer auf Hilfe angewiesen, deshalb vergleichen Gutachter die Entwicklung mit der eines gleichaltrigen gesunden Kindes. Eine Sonderregelung sieht vor, Kinder im Alter von bis zu 18 Monaten pauschal einen Pflegegrad höher einzustufen als bei der Begutachtung von älteren Personen festgestellt. Bei der Vorbereitung einer Begutachtung kann ich als Pflegeberaterin unterstützen. Nicht selten ist der Pflegegrad bei Kindern begrenzt. Das heißt, dass es zu einem späteren Zeitpunkt ein Wiederholungsgutachten gibt."

Tanja Steiner, compass-Pflegeberatung

Immer mehr Versicherte werden erstmals als pflegebedürftig anerkannt. Klingt nach einem alarmierenden Trend - ist aber eine gute Nachricht: Heute werden mehr Menschen von den Kassen unterstützt.

Immer mehr Versicherte werden erstmals als pflegebedürftig anerkannt. Klingt nach einem alarmierenden Trend - ist aber eine gute Nachricht: Heute werden mehr Menschen von den Kassen unterstützt.

Pflegegrad-Rechner

Im Internet gibt es viele Pflegegrad-Rechner. Nutzen Sie die ruhig – verlassen Sie sich aber nicht zu sehr auf das Ergebnis. "Die Rechner fragen die verschiedene Lebensbereiche einfach nur Punkt für Punkt ab. Das ist ganz anders als beim Gespräch mit dem Gutachter", sagt Gudula Wolf von der AWO Online-Pflege-und Seniorenberatung.

Der Gutachter fragt im Gegensatz zum Internet auch genau nach. Ein Beispiel: Im Online-Rechner gibt eine betroffene Person an, nicht mehr Treppensteigen zu können. Im echten Leben hakt der Gutachter nach: Klappt es denn mit einer Gehstütze auch nicht? Wer mit einem Hilfsmittel die Stiege raufkommt, gilt vielleicht als einigermaßen mobil – obwohl das Internet etwas anderes vermuten ließe. Manche Rechner sind auch kommerziell. "Dann ploppt schnell mal ein Fenster auf: Sollen wir Ihre Einschätzung für 20 Euro für Sie überprüfen?", sagt Frau Wolf.

Als seriös empfiehlt die AWO den kostenfreien Rechner des Sozialverbands VdK und den Selbsteinschätzungsbogen der Alzheimer Gesellschaft. Lassen Sie sich am besten vor dem MD-Besuch zusätzlich von einem Pflegestützpunkt beraten.

Behält man immer denselben Pflegegrad?

Nein. Wenn Sie einen Pflegegrad bekommen, bedeutet das nur, dass Sie aktuell pflegebedürftig sind. Zu einem späteren Zeitpunkt können Sie den Pflegegrad wieder verlieren. Umgekehrt kann jemand, der mehr Pflege braucht, auch einen höheren Pflegegrad bekommen.

Muss ich der Pflegekasse Bescheid geben, wenn es mir besser geht?

Nein, sagt Gudula Wolf von der AWO. Es kann sein, dass die Besserung nur kurzfristig ist. Oft fühlen sich Menschen auch besser, sobald sie einen Pflegegrad bekommen haben und damit Hilfe erhalten. "Viele übersehen dann, dass ja noch eine helfende Person da ist", sagt Wolf.

Vertrauen Sie den Gutachtern: Sie sind Experten und wissen schon selbst, wann sie den Pflegegrad zeitlich beschränken und wann nicht. In manchen Fällen überprüfen sie nach einer bestimmten Zeit, ob jemand noch pflegebedürftig ist – etwa bei einer Krebserkrankung.

Ich höre immer wieder von Pflegestufen, ist das dasselbe?

Früher gab es drei Pflegestufen. Eingeteilt wurde danach, wie zeitaufwändig die Pflege war - also wie viele Stunden Betroffene pro Woche auf Hilfe angewiesen waren.

Seit Januar 2017 gilt ein neues System, mit dem man einschätzt, wie pflegebedürftig jemand ist. Seitdem gibt es fünf Pflegegrade. Jetzt geht es darum, wie stark jemand mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung auf Hilfe angewiesen ist und in welchen Bereichen er noch selbstständig ist. Demenzpatienten und Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder geistigen Behinderung werden im neuen System stärker berücksichtigt als früher.

Fachliche Beratung:
Gudula Wolf von der AWO-Online-Pflege- und Seniorenberatung