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Die Tournee zum 50-jährigen Bühnenjubiläum steht an – kommen da gemischte Gefühle auf?

Vicky Leandros: Überhaupt nicht. Ich freue mich einfach, dass ich schon so lange dabei sein kann, und bin dankbar, dass noch so viele Menschen in meine Konzerte kommen.

Ein Album herauszubringen ist wahrscheinlich längst Routine ...

Nein, das ist weniger Routine als früher. Ich hatte jetzt eine lange Pause gemacht und musste mir erst einmal Gedanken machen: "Du hast den Menschen ja schon sehr viel erzählt, über Liebe, Leid und Träume – jetzt soll es ein bisschen anders sein." Es ist mein persönlichstes Album.

Ist der Titel "Ich weiß, dass ich nichts weiß" etwa ein ernüchtertes Resümee?

Das kann jeder so verstehen, wie er möchte. Ich habe festgestellt, dass ich immer noch etwas dazulernen kann und auch muss. Ich bin ein neugieriger Mensch – und ich nehme mich gerne selbst ein bisschen auf den Arm.

Spüren Sie einsetzende Altersweisheit?

Ich bin lebenserfahrener, aber nicht weiser. Ich mache immer wieder die gleichen Fehler, davor scheine ich einfach nicht geschützt zu sein.

In dem Lied "Verlorenes Paradies" haben Sie sich schon 1982 mit der Umweltzerstörung beschäftigt. Kann Musik etwas verändern?

Manchmal gelingt es, mit Liedern etwas zu bewegen, aber ich empfinde mich eher als Entertainerin. Auch wenn ich viele nachdenkliche Lieder und Chansons im Repertoire habe: Ich möchte, dass das Publikum mit einem positiven Gefühl aus dem Konzert herausgeht.

Wie wichtig ist Melancholie?

Sie ist ein Bestandteil des Lebens. Wie Nachdenklich-Sein gehört Melancholie einfach dazu. Mir ist sie vielleicht noch ein bisschen mehr angeboren, und ich schreibe immer wieder melancholische Melodien.

Der Schriftsteller Victor Hugo meinte, Melancholie sei "die Lust, traurig zu sein". Teilen Sie seine Ansicht?

Das klingt sehr gut, ja.

Hält dieses Gefühl Sie mitunter gefangen?

Nein, lange gefangen bin ich darin nicht. Ich denke ja auch nicht nur über mich selbst nach, sondern viel über Familie und Freunde. Und dann blühe ich wieder auf.

Hören Sie mehr auf das Herz oder auf den Verstand?

Darf ich mit einem Liedzitat antworten? "Vernunft und Spaß sind zweierlei, das hab auch ich erkannt. Wofür ich mich entschieden hab, das liegt wohl auf der Hand. Vernünftig kann ich morgen sein, doch nicht heute Nacht. Tanzt mit mir, bis der Tag erwacht."

Für so eine Karriere braucht es unglaublich viel Selbstdisziplin. War die Ihnen in die Wiege gelegt?

Meine Eltern erzählten, dass ich sehr früh diszipliniert sein konnte. Bevor ich für die Schule aufstehen musste, habe ich meistens schon den Wecker geschüttelt, warum er nicht klingelt.

Disziplin kann einen auch sehr einengen und einschränken ...

Das kenne ich nicht.

Sind Sie bei Ihrer Ernährung besonders diszipliniert?

Nein. Essen soll ja auch ein Vergnügen sein. Seit der Geburt meines ersten Kindes habe ich nie wieder eine Diät machen müssen. Ich esse viele Proteine, ich mag besonders Gemüse und Salate, griechischen Schafskäse, Obst, da versuche ich ein Gleichgewicht zu halten. Ich liebe es aber auch, mich abends mit Familie und Freunden zu treffen. Da hat man mehr Zeit füreinander, aber auch mehr Zeit, um zu essen. Dann versuche ich halt, die nächsten Tage weniger Kohlenhydrate zu mir zu nehmen.

Wo finden Sie Ihren Ausgleich?

Wenn ich zu Hause bin und kochen kann. Ich koche sehr gerne, vor allem für die Familie und Freunde.

Wie sehen Sie Ihren Ausflug in die Politik heute? Sie waren zwei Jahre Stadträtin in Piräus.

Die Erfahrung möchte ich nicht missen. Ich war ja richtig im Wahlkampf und sah, wie es in der Politik zugeht. Es ist ein knallharter Job. Schon damals war kein einziger Cent mehr in der Stadtkasse. Ich sah, wie die Menschen im Rathaus arbeiteten – oder eben auch nicht. Die Lage wurde so unübersichtlich, dass ich nach zwei Jahren entschied zurückzutreten.

Die Pleite des Landes hat Sie dann sicherlich nicht überrascht.

Nein. Überhaupt nicht.

Wie ist es jetzt für Sie, wenn Sie die Griechenland-Euro-Diskussionen verfolgen?

Das ist ein schwieriges Thema. Wenn die verschiedensten Regierungen über 40, 50 Jahre teilweise viel den Menschen versprochen und nichts davon gehalten haben, wie will man das in zwei, drei Jahren ausgleichen? Reformen müssen in Griechenland stattfinden.

Wie sind Ihre Kinder mit der Berühmtheit ihrer Mutter umgegangen?

Die wussten gar nicht, dass ich Sängerin bin, damals pausierte ich für zehn Jahre. Als ihnen später bewusst wurde: "Aha, unsere Mami singt ja auch irgendwie", fanden sie das ganz okay. Auch dann habe ich kaum über meine Karriere oder meinen Gesang gesprochen. Ich wollte, dass sie sich zu eigenständigen Persönlichkeiten entwickeln. Das ist, glaube ich, ganz gut gelungen. Ich bin sehr stolz auf meine Kinder.

Mit Anfang 20 brachen Sie eine berufliche USA-Reise ab, weil Sie wieder nach Deutschland wollten. Haben Sie das schon mal bereut?

Nein. Es war eine spontane Entscheidung, ich war sehr jung, aber ich war auch schon sehr erfolgreich und wollte höchstwahrscheinlich nicht wieder von vorne beginnen. Außerdem fehlten mir meine Freunde und die europäische Kultur.

Stimmt es, dass Sie noch nie in Lodz waren?

Das stimmt.

Wird das nicht mal Zeit?

Ja, das ist überfällig.

Wann fahren Sie?

Schauen wir mal.

Zur Person:

  • Vicky Leandros wurde am 23. August 1952 auf Korfu als Vassiliki Papathanassiou geboren
  • Lodz und Liebe: Kam mit ihren Eltern 1958 nach Hamburg, wo sie bis heute lebt. 1967 Durchbruch mit "L’amour est bleu". Viele Goldene Schallplatten sowie Siegerin beim Grand Prix Eurovision de la Chanson. Nach einer Familienphase 1996 Comeback. Im Frühjahr 2016 ging die Sängerin auf große Jubiläumstournee.
  • Familie: Aus erster Ehe stammt Sohn Leo. Mit ihrem zweiten Mann Enno Freiherr von Ruffin hat sie die Töchter Milana und Sandra.