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Senioren Ratgeber: Seit der Vorbereitung auf unser Gespräch schwirren mir diverse Ohrwürmer durch den Kopf …

Im Gegensatz zu den Liedern heute, nicht wahr? Es sind zwar wunderschöne Titel dabei, aber man behält sie nicht so richtig.

Woran liegt das?

Wenn ich das wüsste! Die Vorstellungen, was die Menschen hören wollen, sind wohl andere. Solche Schlager wie damals traut man sich heute nicht. Wenn ein Komponist merkt, es führt ihn in Richtung 1970er-Jahre-Schlager, ändert er schnell die Richtung.

Musikalisch oder textlich?

Sowohl als auch. Die Texte sind heute nicht intelligenter, aber anders. Den Gesang empfinden etwa die ­Senioren, die ich betreue, als fremd. Eher als Sprechgesang. Mir gefällt diese Art. Mein Sohn hat mir auch schon ein solches Album geschrieben.

Welche Musikrichtung hat "Jutta und das Quintett Royal" gespielt, ihre erste Band mit Bert?

Wir waren eine Partyband, traten in Tanzcafés auf. Da war es egal, ob wir Rock ’n’ Roll spielten, Beatles, Aretha Franklin oder einen Hit von Heintje.

Wie sind Sie zum Schlager gekommen?

Wir liebten Chansons, Gospel, auch rockigere Titel. Unsere ersten beiden Singles waren im Stil von Sonny and Cher gemacht. Schön und gut, aber nicht erfolgreich. Dann kam unser Produzent mit "Immer wieder sonntags" an. Er meinte: "Wenn dies nicht euer größter Erfolg wird, machen wir nur noch das, was ihr wollt." Bert war entsetzt, als er den Refrain zählte: 52-mal "Immer wieder sonntags"! Und dann dieses ganze "dibidibidib". Aber als die Verkaufszahlen kamen, war klar, welche Musik wir fortan machen würden.

Mit Bauchschmerzen?

Es war nicht so, dass wir daran zerbrochen wären wie Roy Black. Der wollte viel lieber Rock ’n’ Roll machen und saß bei gemeinsamen Shows ­deprimiert in der Ecke, während wir Spaß hatten. Wir wussten: Schlagermusik ist nicht schlechter, sie ist anders. Die Leute sind aufgesprungen und waren aus dem Häuschen. Da haben wir uns natürlich mitgefreut.

Cindy Berger

*26. Januar 1948 in Völklingen als Jutta Gusenburger

  • Feiert mit Ehemann Norbert Berger als Cindy & Bert viele musikalische Erfolge. 1988 Trennung und Scheidung, ab Mitte der 1990er wieder als Schlagerduo auf der Bühne.
  • Seit Berts Tod 2012 tritt sie solo auf. Mit ihm hat sie den Sohn Sascha. Eine Tochter stammt aus einer späteren Beziehung. Berger lebt in Berlin.

Der "Grand Prix Eurovision de la Chanson" 1974 war für ABBA der Startschuss zu einer Welt­karriere, während Cindy & Bert auf dem letzten Platz landeten.

Unser Titel war einfach nicht stark genug. Wir hatten schon damit gerechnet, dass wir hinten landen würden. Aber so weit hinten – das war ein harter Schlag. Auf dem Rückflug schämten wir uns richtig, dass wir unser Land so schlecht vertreten ­hatten. Am selben Abend hatten wir einen Auftritt und rechneten mit fliegenden Tomaten. Aber so lief es nicht. Die Zuschauer waren und blieben auf unserer Seite.

Sie haben mal gesagt, Sie wollten nicht nur für den Erfolg leben. Der Preis wäre zu hoch gewesen.

Wir hätten vielleicht mehr erreichen können, waren aber nie besonders ehrgeizig. Wir waren keine Kämpfer, der Anstoß musste immer von außen kommen. Wir hatten schon den Ehrgeiz, eine gute Leistung zu bringen. Aber nicht um jeden Preis. Wir wollten auch ein Familienleben haben.

Nach Ihrer Scheidung traten Sie trotzdem wieder zusammen auf. Sind Ihre neuen Partner nicht vor Eifersucht geplatzt?

Nicht die Spur! Bert und ich waren 20 Jahre zusammen und hatten wahnsinnig tolle Zeiten gemeinsam. Das war vorbei. Jetzt hätte er mit mir wer weiß wo allein sein können, es wäre nichts passiert. Und das wussten auch unsere neuen Partner.

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Das ist nicht selbstverständlich.

Ich arbeite eine Sache ab, eines Tages stehe ich auf, und das Thema ist vorbei. So bin ich keinem Menschen wegen irgendetwas böse. Wenn ich das für mich selbst verarbeite, können wir uns wieder ganz neu begegnen.

Sie haben Ihre Mutter lange gepflegt. Sie wären nach ihrem Tod beinahe ausgewandert?

Ja. Ich war an einem Punkt, an dem alles weggefallen war, wofür ich verantwortlich war. Da lud mich mein Sohn zu sich nach Vietnam ein. Er zeigte mir seine Lieblingsinsel in Thailand. Ich dachte mir: Ich bin ein freier Mensch, kann leben, wo ich will. Auf dieser Insel könnte ich den ganzen Tag in der Hängematte am Strand all die Bücher lesen, die ich schon immer lesen wollte.

Sie haben daraufhin Ihre Wohnung aufgelöst?

Es waren nur noch ein paar Kisten vom Hausstand übrig, als ich zu Weihnachten meine Tochter in Berlin besuchte. Und sie stellte die entscheidende Frage: "Mama, dafür bist du doch gar nicht der Typ. Du willst immer etwas machen. Aber was machst du in Thailand?" Darauf wusste ich keine Antwort. Sie hatte die Idee, dass ich stattdessen vom Land in die Großstadt ziehen könnte. Und weil sie ­gerade aus ihrer WG auszog, landete ich in Berlin.

Sie haben den Platz Ihrer Tochter in der WG übernommen?

Der 30 Jahre jüngere Mitbewohner musste auch erst einmal schlucken. Wir haben gleich ausgemacht, dass das nur eine Übergangslösung ist. Es funktionierte aber so gut, dass daraus zwei Jahre wurden. Jetzt habe ich ­gerade wieder eine eigene Wohnung bezogen.

Und wie bekommt Ihnen der Neuanfang in der Großstadt?

Als ich nach Berlin ging, wollte ich mich nicht einfach amüsieren, sondern etwas Sinnvolles machen. Irgendwie bin ich auf die Organisation Careship gestoßen, die die Grundversorgung durch die Pflegedienste ergänzt. Ich besuche ältere Menschen, unterhalte mich mit ihnen, gehe mit ihnen einkaufen oder zum Arzt, koche für sie. Das tut beiden Seiten gut.

Wie viele Senioren betreuen Sie regelmäßig?

Zwei ältere Herren montags, dienstags, mittwochs. Donnerstags zwei Frauen, die sind auch um die 90. Drei der vier können noch zuhause leben mit der Hilfe durch ihre Familien und mich. Dass mich der Umgang mit den älteren Menschen so ausfüllt, bezweifeln übrigens selbst meine engsten Freundinnen.

Was sagen Sie dann?

Dass sie sich da sehr täuschen. Die Gespräche sind mir sehr wichtig, ich bekomme sehr viel zurück. Für die Menschen bedeutet diese Zuwendung so viel – das kann man sich nicht vorstellen. Selbst der demente Herr sagt: "Dass du das alles für mich machst!" Bei "meinen" Frauen ist das genauso. Die 96-Jährige betont stets: "Der Donnerstag ist der schönste Tag der Woche." Das tut mir gut!

Sind Sie bei den Senioren die Jutta oder die Cindy?

Jutta. Aber mittlerweile wissen alle von meiner Vergangenheit.

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