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Senioren Ratgeber: Man verbindet Sie immer sofort mit der "Hobbythek", obwohl Sie an vielen anderen Wissenschaftssendungen beteiligt waren. Nervt Sie das?

Jean Pütz: Ich bekomme heute noch regelrechte Dankeshymnen für die "Hobbythek", das berührt mich positiv. Ich habe viele Menschen erreicht, aber nicht die ganz unten. Dass mir das nicht gelungen ist, bedauere ich. Denn Bildung ist ein Menschenrecht und hat einen Wert an sich.

Wenn man das Themenspektrum der "Hobbythek" betrachtet – können Sie eigentlich alles?

Ich kann mich in alles einarbeiten. Natürlich habe ich ein handwerkliches Talent, Probleme zu lösen. Aber ich wollte mit der "Hobbythek" auch das Leben so zeigen, wie es ist. Und ich profitiere am meisten davon. Gerade habe ich meinen täglichen Joghurt angesetzt, in zehn Stunden ist er fertig – lecker!

Sie arbeiten fast vier Stunden täglich an Ihrer Internetseite. Was treibt Sie an?

Bildung vermitteln. Nur durch Bildung ist Demokratie möglich. Als junger Mensch habe ich neben technischen Fächern empirische Sozio­logie studiert – weil ich die Mechanismen durchschauen wollte, die Hitler möglich gemacht haben. Es gibt im Verhalten von Gruppen Gesetzmäßigkeiten, die sind wie Naturgesetze.

Jean Pütz

  • * 21. September 1936 in Köln, aufgewachsen in Luxemburg
  • Leitete und moderierte ab 1970 Wissenschaftsreihen für ARD und WDR, da­runter die "Hobbythek".
  • Hat einen Sohn (*1959) aus erster Ehe. Außerdem einen Sohn (*1999) und eine Tochter (*2010) mit seiner dritten Ehefrau, die zwei eigene Kinder in die Ehe mitbrachte. Die Familie lebt in Köln.

"Fake News", also Falsch­meldungen, wie sie heute ein US-Präsident verbreitet, lassen Sie nicht resignieren?

Als ich anfing, hatte die Wissenschaft auch keine Lobby. Mir war klar: Wenn Demokratie funktionieren soll, muss jeder daran teilnehmen können. Die "Hobbythek" war mein Trojanisches Steckenpferd, um den normalen Menschen zu erreichen und ihm zu sagen: "Du hast viel mehr Verstand, als du glaubst." Denn wie kann ich jemanden für Politik interessieren, der nicht einmal im eigenen Umfeld durchblickt? Bei dem, was heute alles an Wissenschaft und Technik entwickelt worden ist, bricht man ohne Vernunft ein, wie beim Turmbau zu Babel.

Sie haben fast zehn Jahre an Ihrer Biografie gearbeitet. ­Warum so lange?

Nicht das Schreiben hat so lange gedauert, sondern das Faktensammeln – ich habe ja nie Tagebuch geführt. Die Biografie lag mir am Herzen, weil ich einer der wenigen Dinosaurier bin, die so einen extremen Wandel in Politik und Wissenschaft am eigenen Leib erlebt haben. Alle zwei Jahre verdoppelt sich das Wissen – das musste ich alles verkraften, ohne verrückt zu werden.

Wie haben Sie das geschafft?

Indem ich die Explosion des Wissens nicht abgelehnt, sondern mit Leidenschaft begleitet habe. Es hat keinen Zweck, zu googeln und dann abzuschreiben, was sich im Internet findet. Ich muss die Zusammenhänge, die Risiken und Nebenwirkungen darstellen. Das Problem unserer Zeit ist doch: Sie lesen etwas im Internet und glauben, Sie hätten es begriffen. Aber was daraus folgt, können Sie so nicht abschätzen.

Sie schreiben auch, dass Sie die Demokratie gefährdet sehen …

Es heißt ja, durch das Internet und die sozialen Netze können sich die Leute so vielfältig informieren wie noch nie. Nur: Das machen sie nicht. Im Gegenteil: Die schwachsinnigsten Vorurteile verfestigen sich, weil sie irgendwelche Mitstreiter finden, manche davon sind sogar Roboter.

Worüber regen Sie sich auf?

Über Dummheit. Ich wende mich ­intensiv gegen jeglichen Rassismus und Nationalismus. Der hat uns die ganzen Kriege gebracht. Überall, wo "-ismen" dahinter stehen, habe ich meine Bedenken. Wenn wir die Kultur nicht pflegen, kann der Mensch eine Bestie sein.

Fühlt sich Ihr Leben manchmal an wie viele verschiedene Leben? Ihr ältester Sohn wird dieses Jahr 60, Ihre Tochter ist neun Jahre alt.

Mit 14 Jahren schrieb ich in einem Aufsatz, dass ich Ingenieur werden will, mit Frau und zwei Kindern. Das war das klassische Modell damals. Ich wurde dann ein ziemlicher ­Hallodri, was Frauen anbelangt. Wir führten ja ein freies Leben damals, ohne moralische Bedenken. Als Katholik habe ich immer gesagt: Wenn der Herrgott die Sexualität nicht gewollt hätte, hätte er nicht darauf gesetzt. Das macht doch die Vielfalt des Lebens aus! Ich bedaure nichts. Ich möchte auch nicht jünger sein, ich fühle mich so schon wie 65. Meinem Womanizer-Dasein habe ich vor 20 Jahren zugunsten meiner großen Liebe abgeschworen: meiner Frau Pina.

Was sind Ihre Fitnesstipps fürs Alter, mal abgesehen von Sex?

Sport ist wichtig. Alles, was ich nicht mehr brauche, baut der Körper ab. Das gilt für die Muskeln genauso wie für das Gehirn oder den Darm. Wichtig ist auch Zahngesundheit – entzündetes Zahnfleisch geht aufs Herz. Und man sollte sich mit der modernen Technik beschäftigen. Ob Computer oder Smartphone: einfach einen fragen, der sich damit auskennt. So lange, bis man es verstanden hat.

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Sie haben leicht reden, für Sie ist das ja kein Problem!

Ich bin auch zu doof, alles selbst zu machen. Man lernt auch von seinen Kindern. Die größte Gefahr ist doch, sich einfach hinzulegen. Meine Großmutter ist 92 geworden, aber in den letzten Lebensjahren hatte sie keine Lust zu nichts. Was war das für ein Leben!?

Sie schreiben: "Man muss das Alter auch überlisten", etwa wenn man nachts mal aufwacht …

Ich lasse immer ganz leise Wort­sendungen im Radio laufen, und wenn ich wach werde, höre ich hin und schlafe irgendwann wieder ein.

Sie bezeichnen sich selbst als Glückspilz. Warum?

Dass ich als Handwerker über den zweiten Bildungsweg studieren und dann Wissenschaftsjournalist werden konnte, sehe ich als Gnade der frühen Geburt. Meine ­Generation hat das große Glück gehabt, 70 Jahre in Frieden zu leben; seit den 1950er-Jahren ist es hierzulande immer nur bergauf gegangen.

Sind Sie gläubig?

Ich bin Christ, weil Jesus als Erster dem Hass den Kampf angesagt hat. Damit war er für mich ein großer Psychologe – denn wer hasst, ist am schlimmsten dran. Wer gehasst wird, bekommt es vielleicht gar nicht mit. Hass ist das Schlimmste, was man sich antun kann.

Was soll einmal auf Ihrem Grabstein stehen?

Ein QR-Code in Emaille. Wenn Sie ihn mit dem Smartphone erfassen, lädt ein Video, das ich noch aufnehmen werde, bevor ich abkratze. Darin werde ich den Leuten sagen: "Dankeschön, es war ein wunderbares Leben. Mein Schicksal hat mir vieles gebracht, was ich nie für möglich gehalten hätte."