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Der erste Schritt ist der schwierigste: Wenn der Fuß langsam ins eiskalte Wasser taucht, möchte man am liebsten gleich umdrehen und sich in warme Decken hüllen. Aber wer ihn einmal gegangen ist, weiß, wie gut er einem tut. Also einmal tief ausatmen und ­weiter, Schritt für Schritt im Storchengang durchs kalte Tretbecken.

Wasser- und Kräutertherapien, Ernährung und Bewegung

Mit dem Wassertreten und kalt-­warmen Wechselbädern verbinden wohl die meisten Menschen die Lehren des Sebastian Kneipp. Dabei entwickelte Kneipp, der in diesem Jahr 200 Jahre alt geworden wäre, ein viel umfassenderes, ganzheitliches Gesundheitskonzept: mit Wasser- und Kräutertherapien, aber auch mit ­gesunder Ernährung, regelmäßiger Bewegung und stressfreier Lebensführung. Die Idee: das Einfache und Naheliegende anwenden, um gesund zu bleiben oder ­gesund zu werden.

Für die eigene Gesundheit selbst aktiv werden

"Die Ansätze von Kneipp sind ­gerade heute von großer Bedeutung", meint Benno Brinkhaus, Facharzt für Innere Medizin und Professor für Naturheilkunde an der Berliner ­Charité. Kneipps ­Lehre sei nicht nur zeitgemäß, sondern zukunfts­weisend: "Wir müssen heute viel ­stärker darauf achten, dass die Menschen für ihre Gesundheit selbst aktiv werden. Dafür sind Naturheilkundeverfahren nach Kneipp zentral."

Fünf Tipps, wie Sie ganz leicht zu Hause kneippen

  1. Kneippkur: Füllen Sie die Badewanne oder einen kleinen Bottich bis zur Wadenhöhe mit kaltem Wasser. Treten Sie darin auf der Stelle. Dann das Wasser abstreifen und ­umhergehen. Wichtig: Nach dem ­Kneippen schnell wieder aufwärmen!
  2. Armbad: Füllen Sie Ihr Waschbecken mit kaltem Wasser. Beginnen Sie mit dem rechten Arm und tauchen Sie ihn bis zur Mitte des Oberarms ein. Tauchen Sie dann den linken Arm ein. Schließlich beide unter Wasser halten. Das Wasser abstreifen und die Arme leicht schwingen, um sie zu erwärmen.
  3. Knieguss: Lässt sich morgens in der Dusche machen: einfach mit der Strahlfunktion des Duschkopfes kaltes Wasser über und Waden gießen. Das beugt ­geschwollenen Beinen vor.
  4. Wechselduschen: Zunächst warm abduschen. Halten Sie dann den kalten Wasserstrahl auf den rechten kleinen Zeh (die vom Herzen am weitesten ­entfernte Stelle). Fahren Sie die Fußkante entlang, am äußeren Unterschenkel hoch bis zum und die innere Seite wieder hinunter. Wiederholen und immer kalt abschließen.
  5. Rosmarinbad: 50g Rosmarinblätter aus der Apotheke mit 1 Liter Wasser aufkochen und 15 bis 20 Minuten zugedeckt ziehen lassen, abseihen und dem Badewasser (Teil- oder Dreiviertelbad) zugeben. Regt den Kreislauf an (Wassertemperatur 33 Grad) und hilft bei (37 Grad). Badedauer: etwa 20 Minuten; danach etwa 45 Minuten Nachruhe.

Kombination aus konventioneller und traditioneller Medizin

Gerade bei Menschen mit chronischen Erkrankungen ist eine integrative Medizin, also die Kombination aus konventioneller und naturheilkundlicher beziehungsweise traditioneller Medizin, erfolgversprechend: Leidet ein Patient oder eine Patientin etwa unter Bluthochdruck, können Medikamente helfen. "Wichtig ist aber auch zu ­schauen, ob der Mensch sich genug bewegt, sich richtig ernährt, regelmäßig schläft und genug entspannt", sagt Benno Brinkhaus.

Kneippanwendungen als Prävention

Der Professor empfiehlt Kneippanwendungen auch zur Gesundheitsförderung und Prävention für gesunde Menschen. "Wir können viel mehr als bisher für unsere eigene Gesundheit tun", sagt er und klingt damit ganz wie Kneipp. Von dem ist zum Beispiel folgendes Zitat überliefert: "Wenn die Menschen nur halb so viel Sorgfalt darauf verwenden würden, gesund zu bleiben, wie sie heute darauf verwenden, krank zu werden, die Hälfte ihrer Krankheiten bliebe ihnen erspart."

Dabei war Kneipp eigentlich kein Mediziner, sondern Pfarrer. Geboren wurde er als Sohn einer armen Weberfamilie. Mit zwölf Jahren verließ er die­ ­Schule, um zu arbeiten. Erst mit 23 Jahren besuchte er ein Gymnasium, erkrankte dann aber schwer. Zufällig las er damals von der heilenden Kraft des Wassers und begann einen Selbstversuch, indem er ­regelmäßig in Dillingen in der kalten Donau badete – das war der Grundstein ­seiner Wassertherapie.

Als ­Pfarrer ging Kneipp später in ein Kloster nach Bad Wörishofen, das bis heute Zentrum der Kneippkuren ist: das Kurhaus Sebastianeum, gegründet 1891. Dort schrieb er auch sein erstes Buch: "Meine ­Wasserkur".

Wann man nicht kneippen sollte:

Wasserkuren sollten Sie nur anwenden, wenn Sie sich wirklich fit fühlen und nicht frieren. Auch bei den kneippschen Therapieverfahren gilt, dass Gegenanzeigen beachtet werden müssen. So sollten Menschen, die an chronischen Erkrankungen leiden, vor einer Kneipptherapie mit Wasseranwendungen ihren Hausarzt ­aufsuchen und sie mit ihm besprechen.

Ganzheitliches Gesundheitskonzept statt nur „Kaltwasserdoktor“

Auch wenn viele Mediziner Kneipp seinerzeit als "Kaltwasserdoktor" verspotteten, ließ er sich nicht von seiner Lehre abbringen: Bald entwickelte er ein ganzheitliches Gesundheitskonzept und soll vor allem mit Wassergüssen und Heilkräutern ­Tuberkulose- und Cholerapatienten behandelt haben.

"Kneipp ist kein Hokuspokus. Man spürt bei den Anwendungen einfach am eigenen Leib, wie gut ­einem das tut", sagt Cordula von der Ropp. Sie ist Fachärztin für Innere und Allgemeinmedizin und leitende Ärztin im Sebastianeum in Bad Wörishofen.

Wassertherapie: Mehr Durchblutung und Körperwahrnehmung

"Manchmal reicht es schon aus, an kleinen Schräubchen zu drehen, um gesund zu bleiben oder gesund zu werden", sagt sie. Wassertherapien zum Beispiel würden nicht nur die Durchblutung steigern, das Immunsystem stärken und Schmerzen reduzieren, sondern auch die Körperwahrnehmung schulen und der Psyche guttun. Dabei gebe es natürlich auch Grenzen: "Wenn ­Patienten akute Beschwerden oder Erkrankungen haben, gehören sie medizinisch untersucht", sagt die Ärztin.