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Die Diagnose Alzheimer bei deiner Mutter ist der Grund für deinen Blog – wie kam es dazu, wie lange nach der Diagnose hast du angefangen zu schreiben?

Meine Mama hat die Diagnose im Sommer 2011 bekommen. Damals war das für uns alle ein Schock und seitdem beschäftige ich mich mit der Krankheit. Darüber geschrieben habe ich ab dem Tag der Diagnose, aber sehr lange nur in meinem privaten Tagebuch. Vor gut einem Jahr habe ich dann meinen Blog "Alzheimer und wir" gestartet. Bis dahin war ich immer mal auf der Suche nach Gleichgesinnten, die von ihren Erfahrungen, Gedanken und Gefühlen berichten, habe aber fast nichts im Internet gefunden. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich selber so viel mit mir herumtrage und weiß, dass es vielleicht gut wäre, das aufzuschreiben und andere daran teilhaben zu lassen. Ich war mir nicht sicher, ob das jemanden interessiert, was ich schreibe und ob ich die Technik beherrsche, aber ich dachte mir: Wenn du es nicht probierst, weißt du es nicht. Und wenn du es nicht wenigstens probierst, wirst du es später bereuen. Und so habe ich angefangen, meinen Blog zu schreiben.

Peggy Elfmann arbeitet als stellvertretende Chefredakteurin bei unserem Partnerportal Baby und Familie. In ihrer Freizeit bloggt sie auf alzheimerundwir.de über die Erkrankung ihrer Mutter. Sie wohnt mit ihrer Familie in München, ihre Eltern wohnen viele Kilometer entfernt.

Wie fremd war dir das Thema anfangs, wie hast du dich selbst informiert?

Durch meine Arbeit bei einem Gesundheitsverlag wusste ich natürlich, was Alzheimer ist. Aber ich kannte mich nicht weiter damit aus. Alzheimer, das war für mich irgendwie immer in weiter Ferne. Denn meine Eltern waren ja noch fit und relativ jung. Nach Mamas Diagnose habe ich viel über Alzheimer und Demenz gelesen: Im Internet, in Büchern, in Zeitschriften - ja auch im Senioren Ratgeber. Ich habe viel nachgefragt: bei Mamas Arzt, aber auch bei anderen Experten wie der Alzheimer Gesellschaft und bei anderen Angehörigen.

War es dir anfangs wichtiger, deine eigenen Gedanken zu sortieren oder über das Thema aufzuklären?

Das war beides: Ich wollte meine Gedanken und Gefühle sortieren und ich wollte eine Stimme für das Thema sein. Denn ich hatte immer das Gefühl, dass Demenz mit Angst, Scham und Schuld besetzt ist und Angehörige und Betroffene sich oft nicht trauen, darüber zu sprechen. In einem kleinen Rahmen wie bei Angehörigentreffen passiert das zwar, aber das Thema betrifft ja viel mehr: Auch die Kinder, die Enkel, die Nachbarn, die Freunde. Die Diagnose betrifft nicht nur den Patienten, sondern es ist ein "Alzheimer und wir" und letztlich kann der Mensch mit Demenz nur davon profitieren, wenn viele im Umfeld sich damit beschäftigen und besser damit umgehen können.

Was findet die Leserin oder der Leser also auf deinem Blog?

Mir geht es darum authentische Einblicke zu geben. Ich schreibe, welche Probleme und Herausforderungen auftreten und wie ich als Tochter helfen kann und hoffe, dass ich so anderen Angehörigen eine Anregung geben kann.

Wie kommen die Leser auf deinen Blog?

Das ist ganz unterschiedlich. Ich bin auf Instagram und Facebook aktiv und kündige da neue Blogbeiträge an. Ich beteilige mich am Weblog – Wegweiser Demenz, teile Texte auf der Seite der Deutschen Alzheimer Gesellschaft und einer Schweizer Alzheimer-Seite. Generell finden LeserInnen mich auch, wenn sie auf Google nach dem Thema Alzheimer Angehörige etc. suchen. Durch den Goldene Blogger-Preis im März und die Nominierung für den Grimme Online Award werden auch noch einmal viele Menschen auf den Blog aufmerksam – und darüber freue ich mich sehr.

Bekommst du Feedback von den Lesern?

Ja, ich bekomme regelmäßig Feedback. Manchmal direkt als Kommentar zu den Blogbeiträgen, aber ich bekomme auch E-Mails oder Kommentare auf Social Media. Da findet dann oft ein guter Austausch statt, unter Angehörigen, aber auch Tipps von Pflege-Profis. Diese Kommunikation finde ich so wertvoll - und ich finde es immer gut, wenn Angehörige und PflegerInnen sich austauschen, denn damit kann man Menschen mit Demenz am besten helfen, wenn sich beide Seiten offen unterhalten.

Wann hast du das erste Mal gemerkt, dass du damit Menschen erreichst?

Als mir das erste Mal eine Frau geschrieben, dass sie geweint hat als sie meinen Blog gelesen hat. Ihre Mutter hatte Alzheimer und war schon ein paar Jahre tot, aber diese Frau hat geschrieben, dass sie durch das Lesen der Blogbeiträge plötzlich einiges verstanden hat und sich gewünscht hätte, sie hätte das schon eher verstanden. Dann wäre sie manchmal nicht so unwissend und ungeduldig mit ihrer Mutter gewesen. Das hat mich sehr berührt. Und berührt mich immer wieder, wenn mir andere Angehörige schreiben, dass sie sich in meinen Texten wiederfinden.

Was bewirkt das Schreiben bei dir?

Ich reflektiere die Situationen und Fragen viel stärker, das hilft mir natürlich auch im Umgang. Und durch das Reflektieren und Schreiben findet auch ein Austausch mit anderen statt. Manchmal bekomme ich konkrete Tipps, das ist natürlich auch gut.

Kollegin Peggy Elfmann ist für den "Grimme Online Award" nominiert.

Kollegin Peggy Elfmann ist für den "Grimme Online Award" nominiert.

Neben dir sind für den Grimme Award Projekte von großen Teams und Rundfunkanstalten nominiert – wie hast du reagiert, als du von der Nominierung erfahren hast?

Als die Verleihung der Goldenen Blogger im März war, wusste ich, dass ich auch für den Grimme Online Award vorgeschlagen bin. Aber es gab mehr als 1000 Einreichungen. Ich habe mir keine großen Chancen ausgerechnet. Ich habe deshalb auch nicht den Nominierungsstream geschaut, sondern war mit meinen Kindern draußen. Als ich es dann auf Instagram gesehen habe, dass ich nominiert bin, konnte ich es erstmal gar nicht glauben. Ich habe mich wahnsinnig gefreut und war sehr beeindruckt, als ich gesehen habe, welche andere Projekte mit nominiert sind und dass ich mit denen in einer Reihe stehe.

Wie viel Zeit investierst du monatlich in den Blog?

Ich mache das alles alleine. Ich schreibe etwa zwei Beiträge pro Woche. Mehr schaffe ich nicht, weil ich den Blog ja neben meiner eigentlichen Arbeit und meinen Kindern mache. Eigentlich schreibe ich immer, wenn ich ein bisschen Freizeit habe. Das Thema und der Blog sind mir einfach sehr wichtig.

Wie geht es dir jetzt mit Corona, wie hälst du Kontakt zu deiner Mutter? Hast du Tipps für andere Angehörige?

Das ist sehr schwierig, weil meine Mama kaum noch spricht. Ich rufe häufiger bei meinen Eltern an und weil mein Papa das Telefon immer auf laut stellt, hört meine Mama zumindest meine Stimme. Ansonsten schicke ich Bilder von mir und den Kindern oder auch mal ein Päckchen oder Blumen. Wenn die Eltern sich mit Technik ein bisschen auskennen, ist videotelefonieren natürlich toll oder wenn man kleine Videos verschickt.

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