Logo der Apotheken Umschau

Ich pflege...

meinen Mann. Vor fast 30 Jahren stürzte er und brach sich die Halswirbelsäule. Seitdem ist er hochgradig gelähmt. Wir waren jung, noch nicht lange verheiratet, unsere Tochter stand vor ihrem ersten Geburtstag. Doch in der ersten Zeit habe ich nur im Notfallmodus funktioniert, es ging nur um das, was als Nächstes erledigt werden muss. So richtig zum Nachdenken bin ich erst gekommen, als mein Mann nach fast zehn Monaten in der Klinik nach Hause entlassen werden sollte. Da habe ich mir gesagt: Dein Leben ist zu Ende – mit 23. Du wirst nie wieder ins Kino gehen können, nie wieder Freunde haben. Ich lief heulend durch die Stadt.

Zum Glück kam es anders. In den ersten zwei Jahren haben wir uns zwar noch ziemlich eingekapselt, ich habe die Pflege komplett alleine übernommen. Aber mein Mann hat mich gedrängt, rauszugehen. Nicht die Pflege sollte unser Leben bestimmen, sondern umgekehrt. Wir engagierten Pflegedienste, ich fing wieder an zu arbeiten, machte später an der Abendschule das Abitur und studierte Physik – mein großer Traum!

Das strengt mich an

Die Erwartungen der anderen! Es gibt Diskussionen – in der Familie, im Freundeskreis, überall – ob man trotz der Pflege das Kind richtig erzieht, das Haus richtig in Ordnung bringt. Es wird einem als pflegendem Angehörigen kein eigenes Leben zugestanden. Man muss sich für alles rechtfertigen! Ich habe seit 20 Jahren einen Lebenspartner, der im selben Haus lebt. Auch das passt sicher nicht jedem – aber ich stehe dazu.

Was mich auch belastet, ist der ständige Kampf mit den Behörden und den Kassen. Bei jedem Hilfsmittel, ob Rollstuhl oder Katheter, gibt es Rückfragen, es dauert Wochen und Monate, bis wir die Dinge bekommen, die wir für die Pflege brauchen.

Das gibt mir Kraft

Der gute Zusammenhalt in unserer kleinen Familie. Wir stehen das jetzt schon so viele Jahre gemeinsam durch! Mein Mann und ich teilen einen guten Sinn für Humor – das ist schon zentral. Unsere Tochter kocht gelegentlich mit meinem Mann oder unternimmt mit ihm kleine Ausflüge. An der Pflege wollten wir sie aber ganz bewusst nie beteiligen.

Mein Tipp für andere

Man sollte für sich klären, was man vom Leben will – so, wie man es auch tun würde, wenn man kein pflegender Angehöriger wäre. Möchte man ganz für den anderen da sein? Das ist in Ordnung. Aber es ist genauso okay, wenn man auch ein Leben außerhalb der Pflege führen will. Und da sollte man sich nicht von anderen reinreden lassen, die oft gar nicht wissen, was es heißt, zu pflegen.