Einheimische Alternativen zu Superfoods
Exotische "Superfoods" erobern derzeit unsere Märkte. Sie sollen besonders gesund sein – sind aber auch besonders teuer. Wir stellen günstigere Alternativen vor, die den Neulingen in nichts nachstehen

Grünkohl enthält ähnlich viele krebshemmende Stoffe wie die Moringa-Pflanze
Sie heißen Açaí, Chia und Goji, Maca, Matcha und Moringa, Quinoa, Chlorella und Spirulina, kommen meist von weit her, wo sie angeblich seit Urzeiten die Menschen fit halten, glänzen Herstellern zufolge durch extra viele gesunde Inhaltsstoffe und tragen den klingenden Beinamen "Superfood".
Mit den Exoten wird ordentlich Umsatz gemacht. 2015 wurden in Deutschland 663 Tonnen Chiasamen im Wert von fast 11 Millionen Euro verkauft. Doch die Neuankömmlinge im Supermarkt versprechen mehr, als sie halten. Und es gibt preiswerte Alternativen, die gleichsam vor unserer Haustür wachsen.
Superfood und einheimische Alternativen


Hagebutten oder Gojibeeren?
Abwehrstärkend durch Spitzenwerte bei Vitamin C und ein Augenschutz dank des Farbstoffs Zeaxanthin – so werden Gojibeeren angepriesen. Aber Vorsicht: In einigen Produkten wurden Pestizide gefunden. Bestimmte Gerinnungshemmer vertragen sich nicht mit Goji – Apotheker fragen! Mindestens so viel Vitamin C haben Hagebutten. Der gelbe Farbstoff findet sich auch in dunkelgrünem Blattgemüse, Mais und Paprika.

Grünkohl oder Moringa?
Moringa wird oft als nährstoffreichste Pflanze der Welt beworben. Aber der Vergleich des Pulvers aus getrockneten Blättern mit frischem Gemüse hinkt. Beim Gehalt an krebshemmenden Senfölglykosiden ist Grünkohl nicht schwächer. Auch gut: Kresse und Rettich. Zwiebelgewächse enthalten Sulfide mit Antikrebspotenzial.

Leinsamen oder Chiasamen?
Vor allem für ihre herzgesunden Omega-3-Fettsäuren werden Chiasamen gelobt. Wegen ihrer Ballaststoffe werden sie auch als Schlankmacher beworben. Die zuständige EU-Behörde rät aber, pro Tag höchstens 15 Gramm davon zu essen, weil ihre Saponine den Darm reizen könnten. Alternative: Leinsamen. Viele gesunde Fette liefern Walnüsse, ballaststoffreich sind Vollkorn, Linsen, Gemüse, Nüsse.

Avocado oder Kokosöl?
Der Presssaft aus Kokosfleisch ist als Plattenfett lange bekannt, jetzt gibt es ihn auch kalt gepresst. Kokosöl gilt in der Volksmedizin als Mittel gegen Krankheitserreger, sichere Belege fehlen aber. Früher galt Kokosfett als ungesund, heute urteilen Experten positiver. Aber bitte abwechseln mit Avocado, Oliven- oder Rapsöl, ihr Fett ist gut fürs Herz.

Sanddorn oder Acerola?
Das saftige Fleisch unter der dünnen Haut lässt sich nicht transportieren, darum gibt es Acerola bei uns meist als Saft. Einsame Spitze ist ihr Gehalt an Vitamin C. Der einheimische Sanddorn enthält nur etwa halb so viel, das ist aber je 100 Gramm immer noch das Achtfache der Tagesempfehlung. Lecker als Aufstrich oder Saft. Vitamin-C-Spender zum Rohessen: Schwarze Johannisbeere, Fenchel und Kohlarten.

Linsen oder Hanf?
Hanfsamen, wie sie hier gemeint sind, berauschen nicht, enthalten aber viel gesundes Öl, wertvolles Eiweiß und Ballaststoffe. Daher wird der Pressrückstand nach der Ölgewinnung vermahlen und als Hanfmehl verkauft. Positiv: Hanf gibt es auch aus heimischem Anbau. Die preisgünstigere Eiweißquelle sind aber Linsen – ideal in Kombination mit Weizen, zum Beispiel als Linseneintopf mit Brot.

Blaubeeren oder Açaíbeeren?
Die Wunderbeere Açaí ist in Europa meist als gefriergetrocknetes Pulver erhältlich. Gelobt wird ihr Gehalt an Anthocyanen. Sie färben die Frucht dunkel und gelten allgemein als Radikalfänger. Frische Alternativen aus der Region sind Heidelbeeren, aber auch Kirschen, Brombeeren und blaue Trauben. Anthocyanreiche Gemüse: Rotkohl und rote Zwiebeln.
Superfoods: Viel Marketing, wenig Inhalt
Exotisch, neu und hochgelobt – das sind die Gemeinsamkeiten von "Superfood". Der Begriff ist nicht gesetzlich geschützt, wissenschaftliche Kriterien oder Mindestanforderungen an den Nährstoffgehalt gibt es nicht. Theoretisch könnten demnach auch Bratwürstchen als Superfood verkauft werden. Allein, ihnen fehlt die Exotik.
Das Internet und populärwissenschaftliche Bücher polieren kräftig mit am Image von Superfood. "Dort werden vorbeugende oder sogar heilende Wirkungen von Superfood angepriesen", sagt Daniela Krehl, Ernährungsexpertin von der Verbraucherzentrale Bayern.
Studien zum gesundheitlichen Nutzen sind Mangelware
Auf der Verpackung von Lebensmitteln sind dagegen allzu blumige Werbeaussagen nicht erlaubt. Denn jedes Gesundheitsversprechen verlangt die Überprüfung und ausdrückliche Zulassung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit.
Dort stapeln sich seit Jahren die Anträge. Die Behauptungen sind aber kaum überprüfbar. So beziehen sich etwa die wenigen wissenschaftlich basierten Nährstoffangaben meist auf das frische Lebensmittel; die hochgelobten Früchte und Blätter kommen aber so gut wie nie unverarbeitet zu uns, sondern getrocknet, als Püree oder Saft, Extrakt oder Pulver. Die Krux: Bis zur Entscheidung über den Antrag dürfen die Gesundheitsversprechen übergangsweise weiter verwendet werden. "Das ist den meisten Verbrauchern aber natürlich nicht bewusst", sagt Ernährungsfachfrau Krehl.
Wenn schon ihr Nutzen infrage steht, schaden diese Lebensmittel denn wenigstens nicht? Das stellt die Novel-Food-Verordnung sicher. Seit 1997 müssen neue Lebensmittel – nach einer Unbedenklichkeitsprüfung – ausdrücklich zugelassen werden. "Das ist aber keine Garantie, dass nicht eine Allergie auf ein für den Körper fremdes Eiweiß auftritt", weiß Krehl.
Ideal: saisonal und regional einkaufen
Die Zeitschrift "Ökotest" prüfte zudem im April 2016 Superfoods. Zwei Drittel fielen wegen Rückständen von Pestiziden, Mineralölen oder Schwermetallen negativ auf.
Fazit: Superfoods können interessante neue Geschmackserlebnisse vermitteln, Wundermittel sind sie aber nicht. "Vor allem darf niemand erwarten, dass Superfood Esssünden ausgleicht", sagt Daniela Krehl. Preisgünstiger und keinesfalls schlechter sind einheimische Lebensmittel der Saison – am besten eine ausgewogene Mischung davon.