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Frau Wieschalla, welche Vorwürfe gibt es unter Geschwistern oft?

Der Klassiker: "Es ist auch deine Mutter!" Nach dem Motto, ich muss hier alles machen, und du hältst dich raus. Viele ärgern sich auch über Aussagen wie: "Gib Bescheid, wenn was zu tun ist." Wer das sagt, gibt komplett die Verantwortung ab. Oft geht es auch um die Rolle der Söhne. Die Tochter ist täglich bei den Eltern, und wenn der Sohn alle sechs Wochen vorbeikommt, ist er ein Held.

Was tut man da?

Ich rate zu einem Familienrat. Treffen Sie sich per Video-Konferenz oder an einem neutralen Ort. Anfangs sagt jeder, wo er gerade steht und welche Eindrücke er von den Eltern hat – bitte ausreden lassen! Die Wahrnehmung ist oft unterschiedlich, denn die Eltern tauschen mit ihren Kindern meist andere Informationen aus. Mit dem einen redet man eher über die eigene Gesundheit, mit dem anderen mehr über Fußball.

Gerade bei Frauen ohne Kinder heißt es oft: Du hast ja Zeit ...   

Oft gibt es unausgesprochene Hierarchien: erst der Sohn mit seiner wichtigen Arbeit. Dann die verheiratete Tochter mit Kindern. Die unverheiratete, kinderlose Tochter hat den größ­ten Rechtfertigungsdruck, warum sie nicht noch mehr hilft. Machen Sie sich klar: Das ist kein Automatismus!

Petra Wieschalla ist Angehörigen-Coach und Demenz-Beraterin

Petra Wieschalla ist Angehörigen-Coach und Demenz-Beraterin

Welche Rolle spielt die Kindheit?

Hatte man in der Kindheit Stress miteinander, flammt das oft wieder auf. Wenn ein Kind früher bevorzugt wurde, bringen sich Geschwister vielleicht besonders ein, um sich zu beweisen. Letztendlich dreht es sich fast immer darum, wer die meiste Anerkennung der Eltern bekommt.

Was, wenn die ausbleibt?

Den Eltern zu sagen: "Hallo, ich bin auch wichtig!", das wird nicht funktionieren. Das Weltbild ändert sich so nicht. Sprechen Sie mit dem Bruder: "Danke, dass du vorbeikommst. Aber es wäre trotzdem gut, wenn du mich noch mehr unterstützt – etwa beim Bürokram." Oftmals ist den Söhnen diese Prinzenrolle selbst peinlich.

Kann man sich selbst loben?

Ja, machen Sie sich klar, was Sie leisten! Aber überlegen Sie sich auch: Was könnte ich abgeben? Manche Geschwister haben gar keine Chance, weil die pflegende Person sagt: Ich kann das am besten. Nur ich weiß, wie Mutter morgens Nutella aufs Brot geschmiert haben will. Dafür muss man ein Stück Kontrolle abgeben. Überlegen Sie: Wäre es schlimm, wenn sie einmal anders frühstückt?

Oft ist es mehr als Perfektionismus: Wenn ich dem Bruder jedes Detail eines Antrags erklären muss, dauert alles länger.

Da hilft es, größere Bereiche und auch die Verantwortung dafür abzugeben. Etwa den Beihilfe-Schrift­verkehr. Oder alles, was im Haus zu tun ist, von Glühbirne bis Gartenschlauch. Regelmäßiger Austausch hilft: In einem Telefonat einmal im Monat lässt sich klären, welche Aufgaben anstehen. Auch eine Handy-Gruppe kann gut sein. Es braucht aber klare Regeln, etwa wie oft Nachrichten erwartet werden.

Was, wenn die Geschwister sich trotzdem völlig raushalten?

Auch wenn die Erkenntnis schmerzhaft ist – Sie können Ihre Geschwister nicht dazu zwingen. Überlegen Sie sich stattdessen, wie Sie sich als Einzelkind verhalten würden. Wen könnten Sie noch um Unterstützung bitten? Wie könnten Sie sich entlasten? Das spart oft Energie.

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