Logo der Apotheken Umschau

Gerhard T., 83, aus Bayreuth

Gerhard T.s grünes Paradies liegt im Süden von Bayreuth. "Seit 60 Jahren habe ich das grüne Fleckchen hier gepachtet, fast ein ganzes Leben", erzählt der 83-Jährige. 450 Quadratmeter ist sein Schrebergarten in der Anlage Schwedenbrücke groß, "mein tägliches Fitnesstraining".

Beete mit Rosen, Tomaten, Zucchini und Johannisbeeren umfassen eine gepflegte Wiese mit vier Apfelbäumen. "Früher habe ich jede Pflanze aus Samen selbst gezogen, das ist mir mittlerweile zu anstrengend." Seine Pflanzen kauft der Rentner, der in einer kleinen Mietwohnung lebt, vorgezogen in der nahen Gefängnisgärtnerei.

Fast täglich kommen andere Pächter vorbei – für einen Plausch über den Gartenzaun. "Alleine bin ich hier nie", sagt Gerhard T.. Tochter Christina und seine vier Enkel besuchen ihn oft an den Wochenenden, bestaunen die riesigen Zucchini, kosten die süßlich-aromatischen Tomaten. "Wir sitzen abends zusammen, grillen uns ein Steak und plaudern, das ist schön!"

Wilhelm Schöler, 85, aus Plön

Jeden Morgen nach dem Frühstück inspiziert Wilhelm Schöler das Gemüse in seinem Garten. Rupft den Giersch heraus, pflückt frischen Salat, nascht die ersten Himbeeren."Für meine Frau Lieselotte und mich ist unser Garten wie ein zweites Wohnzimmer", sagt der 86-Jährige. "Zwischen dem Buddeln setzen wir uns immer wieder auf eine unserer Bänke und erfreuen uns am Grün."

Als die Schölers vor 30 Jahren in ihre Doppelhaushälfte nahe dem Großen Plöner See einzogen, wuchsen hier nur Tannen. Ein Nachbar rückte mit dem Bagger an, für den Grundriss holte sich das Ehepaar Anregungen in etlichen Gartenmagazinen.

Schölers ganzer Stolz sind drei gigantische Hochbeete: "Fünf Meter lang, 1,30 Meter breit ist ein jedes, selbst gezimmert, nicht so eine Zigarrenkiste aus dem Baumarkt." Jahrelang hat der gelernte Techniker an der Befüllung getüftelt. Ob Zwiebeln oder Kohlrabi. "Alles wächst jetzt schneller", erzählt er stolz. Sobald Corona vorbei ist, will das gesellige Paar seine Pforte wieder für Besucher öffnen.

Yeşim Çil, 56, aus Braunschweig

Auf die grünen Spitzpaprika, die im Sommer heranreifen, freut sich Yeşim Çil ganz besonders. "Spitzpaprika bedeuten Heimat für mich", schwärmt die türkischstämmige 56-Jährige.

Çil ist seit Planungsbeginn dabei. Auf Initiative der Altenhilfe hat die Stadt Braunschweig auf einem 2500 Quadratmeter großen Areal nahe der City einen Gemeinschaftsgarten angelegt. Der Garten ohne Grenzen (E-Mail: garten-ohne-grenzen@awo-bs.de) wurde für ältere Menschen mit Migrationshintergrund geschaffen. Mitmachen können alle, die einen Platz ergattern und sich für andere Kulturen interessieren. Kenia, Vietnam, Thailand – gezählt hat Yeşim Çil hier schon Menschen aus mehr als 20 Nationen!

"Manche Zugezogene finden schwer Anschluss, andere leben schon lange hier, haben es aber nie geschafft, Kontakte zu knüpfen", erzählt sie. In dem interkulturellen Garten gelingt das. Es gibt Einzel- und Gemeinschaftsparzellen. Jede/-r baut das an, was sie/er am liebsten mag. Çil: "Sprachbarrieren gibt es nicht, man kann sich prima mit Handzeichen und mit den Bildern auf den Samentütchen verständigen."

Ingrid Treutter, 61, aus Nürnberg

40 Hochbeete auf Europaletten stehen kreuz und quer. Anwohner buddeln eifrig in der Erde, tauschen sich fröhlich aus. "Der Hof war lange Jahre Abstellfläche, es gab nur Wildwuchs", erinnert sich Ingrid Treutter an den Anfang des Urban- Gardening-Projekts.

Die 61-Jährige, die um die Ecke wohnt und sich seit Langem beim BUND Naturschutz engagiert, bekam 2013 den Auftrag, mehr aus dem tristen, gepflasterten Hinterhof zu machen. "Anfangs waren die Anwohner skeptisch", erzählt die Gartenaktivistin.

"Mittlerweile gibt es für die Hochbeete, die sich jeder für eine Saison kostenlos mieten kann, eine Warteliste." Dass das Hofgärtchen so gut ankommt und ein beliebter Treffpunkt für Jung und Alt ist, freut Ingrid Treutter: "Viele haben sich hier erst kennengelernt, das tut vor allem Alleinlebenden gut!"

Grün beruhigt das Gehirn

Grünflächen sind gut fürs Wohlbefinden, weiß der Neurowissenschaftler Andreas Meyer-Lindenberg. Er ist Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim.  

Herr Professor Meyer-Lindenberg, Sie hatten beruflich länger im Pariser Büroviertel La Défense zu tun. Wie ging es Ihnen dort?

Obwohl ich mich beruflich mit angenehmen Dingen beschäftigt habe, fühlte ich mich niedergeschlagen und angespannt. In dem Viertel gibt es keinerlei Grün, dafür viel Beton.

Wie erklären Sie sich Ihre Stimmung?

Eine so künstliche Umgebung bekommt unserer Psyche nicht. Etliche Studien belegen, dass Grünflächen wichtig für das eigene Wohlbefinden, für unsere Seele sind.

Erläutern Sie das bitte genauer!

Blicken wir auf eine grüne Umgebung, fühlen wir uns besser. Der Teil des Gehirns, der bei Ängsten, Sorgen, Stress und negativen Gedanken wichtig fürs Regulieren ist, kommt nachweislich zur Ruhe. Wir grübeln weniger, machen uns weniger Sorgen – und lassen die Ansprüche an uns selbst auch mal ruhen.

Woher kommt diese Wirkung?

Vermutlich hat das evolutionsbiologische Gründe. Unsere Spezies Mensch stammt ursprünglich aus der afrikanischen Savanne. Diese ist gesäumt von Gras, Büschen und Bäumen. Der Anblick einer solchen Umgebung wirkt wohl so entspannend, weil er für unsere Vorfahren Wasser, Nahrung, Schatten und Schutz bedeutete – und essenziell war für das Überleben.

Viele Menschen wohnen in Städten. Ist das schlecht für die Seele?

Epidemiologische Studien belegen: Stadtbewohner sind tendenziell unglücklicher als Menschen auf dem Land. Sie haben außerdem ein höheres Risiko, psychische Störungen wie eine Depression oder eine Angst­erkrankung zu entwickeln. Wir ­gehen davon aus, dass die mangelnde Verarbeitung von Stress durch fehlendes Naturerleben dabei eine Rolle spielt. Stress in Städten hat vor allem mit der Dichte an Menschen zu tun.

Zu wenig Grün, zu viel Beton, was müsste sich in Städten ändern?

Wohnortnahe Parks sind wirklich wichtig in Städten. Hilfreich wären aber auch kleine Grüninseln vor jeder Haustür. Man muss als Anwohner nichts weiter tun, als sich hinzusetzen, zu schauen und das Grün auf sich wirken zu lassen.

Man muss gar nicht in der Erde buddeln?

Wer die Chance hat, nur zu! Beim Gärtnern verstärken sich die wohltuenden Effekte von Natur noch. Es wirkt ähnlich wie eine Meditation, spricht unsere Sinne an, nimmt uns völlig ein. Beim gemeinschaftlichen Gärtnern entstehen darüber hinaus soziale Interaktionen. Man tauscht sich aus, auch das tut gut und stärkt das Wohlbefinden.

Wozu raten Sie Menschen, die schlecht vor die Tür kommen?

Ein grüner Ausblick aus dem Fenster, ein paar Grünpflanzen auf dem Balkon wirken schon! Besorgen Sie sich Zimmerpflanzen, die Sie als Blickfang in Ihrer Wohnung platzieren. Stellen Sie sich ein Bild von Ihrem Wanderurlaub auf den Nachttisch, auf dem Sie mit den Augen verweilen, wenn Sie morgens aufwachen oder abends zu Bett gehen.