Regeln für gesundes Sitzen
Wenn schon sitzen, dann richtig: Wie Sie mit der richtigen Haltung und kleinen Übungen Beschwerden von zu vielem Sitzen vermeiden

Stubentiger: Herrchen und Frauchen sollten allzuviel Sitzen vermeiden
Bis zu 14 Stunden am Tag verbringen viele Ältere in einer Position, die den Körper zweimal im rechten Winkel abknickt. Viel zu viel, sagen Haltungsexperten. Langes, starres Sitzen belastet den Organismus. Der Rücken ächzt unter dem Dauerdruck. Die Muskeln langweilen sich. Das gesamte Herz-Kreislauf-System leidet unter der gekrümmten Haltung.
Am besten wäre es, immer wieder mal aufzustehen. Wer das aber nicht mehr so gut kann, sollte sich wenigstens auf dem Stuhl oder Sessel möglichst viel bewegen. "Dynamisch sitzen" lautet die gesunde Devise. Die nächste Position ist die beste. Sogar zwischendurch mal lümmeln ist erlaubt. Was Sitzende beachten sollen, welche Hilfsmittel gutes Sitzen unterstützen und was das Sitzfleisch sonst noch trainiert.
Regel 1: Der richtige Winkel
Das Problem in tiefen Sesseln oder auf Sofas: Die Knie stehen höher als die Hüften. Je tiefer man sitzt, desto mehr rundet sich der untere Rückenbereich. "Für kurze Zeit zwar keine Katastrophe", beruhigt Physiotherapeutin und Sitzexpertin Cornelia Schneider aus Homburg, "aber auf Dauer schlecht fürs Kreuz." Die Sitzhöhe passt, wenn zwischen Oberschenkel und Rumpf ein Winkel von circa 95 Grad entsteht.
Regel 2: Unten gut stützen
Wer lange sitzt, sollte den Rücken gut unterstützen. "Sonst halten Sie die ganze Zeit Ihren Körper in Spannung", erklärt Schneider. Optimal ist ein leichter Neigungswinkel der Rückenlehne nach hinten und eine genügend große Ablagefläche für die Oberschenkel. "Ältere Menschen mit Rundrücken brauchen vor allem eine stabilisierende Stütze im unteren Bereich", betont Physiotherapeutin Marianne Brune vom Albertinen Krankenhaus Hamburg. "Sonst versucht man, mit dem Schultergürtel zu stabilisieren – das fördert Verspannungen."
Regel 3: Gewicht abgeben
"Ein guter Stuhl hat Armlehnen, auf denen Sie das Gewicht der Arme abgeben", sagt Cornelia Schneider. Die Lehnen dienen zudem als Aufstehhilfe. "Wer sich auf ihnen abstützen kann, nimmt bereits die richtige Startposition beim Aufstehen ein", ergänzt Physiotherapeutin Marianne Brune. "Wer sich dagegen an der Tischkante hochzieht, fördert eine ungesunde Beugehaltung."
Regel 4: Sitzmöbel wechseln
Wer gern lange fernsieht, braucht mehr Stütze vom Sitzmöbel. Wer dagegen am Tisch frühstückt oder mit anderen plaudert, "ist üblicherweise aktiver und verharrt nicht regungslos in einer Position", weiß Birgit Küllsen. Besonders Vielguckern rät die Ergotherapeutin vom Albertinen Krankenhaus, öfter mal den Platz und auch die Sitzposition zu wechseln, "damit die Gelenke nicht einrosten". Der beste ergonomische Stuhl nützt nichts, wenn man starr darauf sitzen bleibt.
Regel 5: Stehen für das bessere Sitzen
Für alle, die noch mobil sind: Versuchen Sie die Sitzzeit, soweit es geht, zu verringern. Stehen Sie zwischendurch immer wieder auf. Nehmen Sie sich vor, bestimmte Tätigkeiten wie Telefonieren oder Schreiben eines Einkaufszettels nur noch im Stehen zu erledigen. "Besorgen Sie sich ein Stehpult, oder lassen Sie sich ein kleines Schrägbrett an die Wand montieren", schlägt Physiotherapeutin Cornelia Schneider vor. "Der Effekt ist enorm."
Für den Senioren Ratgeber haben zwei Expertinnen Kissen und einen Spezialstuhl kritisch unter die Lupe genommen:

Birgit Küllsen
Ergotherapeutin am Albertinen Krankenhaus in Hamburg

Marianne Brune
Ltg. Physiotherapie/Bobathinstruktorin IBITA Albertinenkrankenhaus/Albertinenhaus gGmbH
Sitzhilfe auf dem Prüfstand
Schaumstoffkissen
Soll ... die Sitzfläche erhöhen. Für alle, die Mühe haben aufzustehen oder die zu tief sitzen, weil die Sitzfläche zu niedrig ist oder weil die Beine zu lang sind, also etwa bei Körpergrößen von mehr als 190 cm.
Sinnvoll? Beim Aufstehen muss man den Körperschwerpunkt über die Füße verlagern, indem man den Oberkörper nach vorn neigt. Das gelingt leichter, wenn das Gesäß im Sitzen etwas höher ist als die Kniegelenke und wenn die Füße nah an den Sitz herangezogen sind. Deshalb gute Ergänzung für Stühle und Sessel, besonders für Ältere sowie für Patienten nach Hüftoperationen und bei manchen Knieverletzungen.
Keilkissen
Soll ... für aufrechteren Sitz sorgen, weil es die Beckenkippung nach vorne und die natürliche Krümmung der Lendenwirbelsäule unterstützt.
Sinnvoll? Gut für ausgeleierte Autositze und Sessel, die hinten eine niedrigere Sitzhöhe haben als vorn. So lassen sich ungünstige Sitzwinkel ausgleichen. Nicht geeignet für Menschen, die sowieso stark ins Hohlkreuz gehen. Fördert nicht das dynamische Sitzen. Ein aufgerolltes Handtuch unter dem Steißbein täte es auch.
Luft- oder Ballkissen
Soll ... den Körper anregen, sich immer wieder neu zu stabilisieren. Das flexible Kissen geht bei jeder Gewichtsverlagerung mit. Dadurch wird die Muskulatur gefördert.
Sinnvoll? Empfehlenswert für Vielsitzer und Menschen mit Rückenbeschwerden, weil es das dynamische Sitzen fördert. Nach einer frischen Hüft- oder Knie-Operation besser nicht benutzen. Nicht geeignet für Menschen mit einem instabilen Rumpf infolge eines Schlaganfalls oder bei fortgeschrittener multipler Sklerose.
Arthrodesenkissen
Soll ... unterschiedliche Beugegrade der Hüften und so einen Beckenschiefstand ausgleichen, indem es auf einer Hälfte abgeschrägt ist.
Sinnvoll? Menschen, die ihr Hüftgelenk nicht mehr auf 90 Grad oder stärker beugen können, können mit dem Kissen auf einem herkömmlichen Stuhl oder Rollstuhl entspannt sitzen. Die Sitztiefe kann komplett genutzt werden.
Lordosekissen
Soll ... die natürliche Form der Lendenwirbelsäule unterstützen, etwa beim Sitzen im Auto oder auf einem weichen Sofa.
Sinnvoll? In Kombination mit dem Keilkissen kann es gerade bei ausgeleierten Sitzflächen mit ungünstigem Sitzwinkel ratsam sein. Es ist eine hilfreiche Unterstützung des unteren Rückens – vor allem bei Menschen, die einen Rundrücken haben.
Ergonomischer Bürostuhl
Soll ... den Körper stützen, weil der Stuhl höhen-, rückenlehnen- und armlehnenverstellbar ist.
Sinnvoll? Ein ergonomisch geprüfter Bürostuhl macht ästhetisch meist nicht so viel her wie ein Designermöbel. Dafür punktet er, weil er individuell an den Körper angepasst werden kann. Nicht nur für Schreibtischarbeiter, sondern für alle, die zu Rückenschmerzen neigen oder auch zu Hause viel sitzen. Benutzen Sie den Stuhl nicht nur am Schreibtisch, sondern auch am Esstisch oder beim Arbeiten in der Küche.
Übungen: So bleiben Sie auf dem Stuhl beweglich:

Arme hoch
So geht’s: Hände verschränken und Handinnenflächen vom Körper wegdrehen. Zunächst Arme auf Brusthöhe nach vorn strecken. Dabei ausatmen und Brustwirbelsäule gegen die Lehne drücken. Anschließend Arme über den Kopf gen Decke strecken. Dann nach links und rechts und leicht nach hinten ziehen. Mehrmals wiederholen.
Gut für: Dehnt den Schulterbereich und oberen Rücken.

Hängematte
So geht’s: Ihr Rücken ist komplett angelehnt, Oberschenkel werden von der Sitzfläche unterstützt. Ihr Kopf liegt in ineinander verschränkten Händen hinter dem Nacken. Nun weit nach hinten lehnen und die Ellenbogen nach hinten außen ziehen.
Gut für: Dehnt die Schulter- und Brustmuskulatur. Hilft besser durchzuatmen und erleichtert das aufrechte Sitzen.

Beinstrecker
So geht’s: Setzen Sie sich vorn auf die Stuhlkante, und strecken Sie Ihr Bein nach vorne aus, sodass es auf der Ferse aufliegt. Schieben Sie die Ferse nun immer weiter nach vorn. Aufrecht sitzen bleiben. Dann Beinwechsel.
Gut für: Dehnt die rückwärtigen Oberschenkelmuskeln. Beugt Muskelverkürzungen vor.

Becken-Uhr
So geht‘s: Stellen Sie sich vor, Sie säßen auf einem Ziffernblatt: Am vorderen Sitzrand in der Mitte ist die 12, am hinteren Rand die 6, rechts die 3, links die 9. Nun kippen Sie Ihr Becken Richtung 12, danach rollen Sie es zurück auf die 6: Dabei streckt und beugt sich die Wirbelsäule. Dann von 3 nach 6, indem Sie Ihr Gewicht von einer Pohälfte auf die andere verlagern. Zum Abschluss verbinden Sie alle Bewegungen zu einem Kreisen.
Gut für: Das Becken wird beweglicher und sorgt damit für eine bessere Körperhaltung. Löst Verspannungen.

Cornelia Schneider hat die Übungen zusammengestellt, Physiotherapeutin und Dipl. Psychologin.