Logo der Apotheken Umschau

Senioren Ratgeber: Das Video zu Ihrem neuen Lied "Alles schon probiert" haben Sie auf Sri Lanka gedreht. Warum dort?

Reinhold Beckmann: Anfang 2020 war ich dort zu einer Ayurveda-Kur. Immer um sechs Uhr fuhr ich auf den Markt und drehte mit dem Handy und der Hilfe von Einheimischen diesen kleinen Film. Weil frühmorgens die Farben so unschlagbar sind. Der Song erzählt die Geschichte von einem Hans im Glück, der viel herumgekommen ist und viel probiert hat. Nun zieht er augenzwinkernd Bilanz.

Aber diese sonnige Sorglosigkeit ist nur eine Facette des neuen Albums. Dem Song "Vier Brüder" etwa liegt unsere Familiengeschichte zugrunde. Die vier Onkel, die ich hätte haben können, saßen bei uns durch die Erzählungen meiner Mutter immer mit am Tisch. Sie sind alle im Krieg gefallen, der jüngste mit 16 Jahren.

Höre ich aus dem Titel "Der Lack ist ab" Resignation heraus?

Nein, die anfängliche Hildegard-Knef-mäßige Illusionslosigkeit wendet sich am Ende des Songs in eine tröstliche Botschaft: Die Schrammen des Lebens sind der wahre Schmuck.

Ist Musik Ihre wahre Berufung?

Musik war immer ein ganz großer Sehnsuchtsort in meinem Leben, und ich habe immer Musik gemacht. In den Jahren, in denen ich beruflich so viel unterwegs war, nicht so intensiv, wie ich es mir gewünscht hätte.

Moderator Reinhold Beckmann im ran Studio

Moderator Reinhold Beckmann im ran Studio

Als ich mit meiner Talkshow und mit der "Sportschau" aufhörte, war mein Ziel: Ich will mein Leben anders gestalten, nicht mehr diesem beruflichen Druck gehorchen. Die wiedergewonnene Lebensfreiheit heißt, dass ich morgens sagen kann: Heute verbringe ich den ganzen Tag damit, neue Stücke zu entwickeln oder das Programm zu proben oder einfach sechs Stunden Gitarre zu spielen. Ich will so viel live spielen wie möglich. Das ist das, was glücklich macht.

Sie haben im Fernsehen fast alles gemacht, von Fußball bis Talkshow: Hätten Sie das eine oder andere lieber lassen sollen?

Für mich bestand Fernsehen-Machen immer schon darin, neue Sachen auszuprobieren und so mit mir selbst ins Risiko zu gehen. Ich habe heute keinen Phantomschmerz, wieder ein Fußballspiel kommentieren zu müssen. Das habe ich jahrelang mit großer Freude gemacht, aber zum Schluss auch gemerkt, dass ein über 60-Jähriger da nicht mehr hingehört. Zudem wuchs immer mehr meine Distanz zur neuen Kommerzialität des Unternehmens Fußball.

Wie gelingt es, zum richtigen Zeitpunkt aufzuhören?  

Bei der "Sportschau" ist mir das, glaube ich, gelungen. Aber ich erwische mich, dass ich ab und zu mal Lust hätte, wieder an einem Tisch zu sitzen und Gespräche in kleiner, vertrauter Runde zu führen wie früher. Gerade in Pandemiezeiten fehlen solche Einzelgespräche im Fernsehen.

Ich bin wahnsinnig dankbar dafür, dass ich das 16 Jahre machen durfte. Ich drehe ab und zu noch meine politischen Dokumentationen. Aber auch da gilt: Ich will nur noch die Dinge tun, die mir wirklich am Herzen liegen.

Hat sich dieses Bewusstsein langsam herausgebildet?

Das mit der Musik war immer in mir drin und hat immer ein bisschen gemeckert: "Jetzt mach doch endlich! Trau dich!" Ich bin sehr glücklich, dass ich mich durchgerungen habe. Wenn das Alter etwas Gutes hat, dann, dass man in manchen Dingen etwas klüger wird. Ich bin auch nicht mehr bereit, mich jagen zu lassen in irgendeiner Form.

Als Kind denkst du, die behagliche Wärme des Zuhauses sei für die Ewigkeit gemacht. Dann gehst du raus in die Welt und merkst: So ist es nicht. In der Phase, in der ich jetzt bin, kommt eine andere Wärme hinzu. Die hat viel mit einem selbst zu tun, dass man weiß, was einem wirklich wichtig ist und was man behalten möchte.

Wann hat diese Phase begonnen? Mit Ihrem 60sten?

Ja, die "6" vorne kannst du dir nicht schön schnacken. Seitdem habe ich das Gefühl, dass das Leben viel schneller voranschreitet. Diese fünf Jahre seit meinem 60sten waren nur ein Wimpernschlag. Das ist das, was mich manchmal bekümmert: die andere Wahrnehmung von Zeit.

Pressefrühstück mit Inka Schneider zum 20. Geburtstag von Nestwerk e.V.

Pressefrühstück mit Inka Schneider zum 20. Geburtstag von Nestwerk e.V.

Welche Rolle spielt die Lebenserfahrung in der Musik? Vieles hätten Sie vor 20 oder 30 Jahren nicht so schreiben können ...

Im Journalismus kümmern wir uns um Dinge, die etwas mit anderen zu tun haben. In der Musik kann ich von mir selbst erzählen. Texte zu schreiben, die etwas mit mir zu tun haben, Beobachtungen des skurrilen Lebens oder ein paar schräge Liebespoesien, empfinde ich als neue Freiheit. Das hat nicht von Beginn an geklappt, aber ich habe mich da mit großer Freude reingearbeitet und genieße mittlerweile das Schreiben sehr.

"Haltbar bis Ende" heißt Ihr neues Album. Bedeutet das, weitermachen, solange es geht?

Da ich erst spät angefangen habe, kann ich ja nicht gleich wieder aufhören. Ich hatte erst einen anderen Titel, dann holte ich eines Morgens die Hafermilch aus dem Kühlschrank, las auf der Packung "Haltbar bis Ende" und dann dachte ich: "Das ist gut!"

Was haben Sie aus den vielen Gesprächen in Ihrer Talkshow mitgenommen?

Einige ganz warme, gute Erinnerungen an bestimmte Menschen, die mehrmals zu Gast waren. Es gab eine tolle Begegnung mit Elton John: Sein übellauniges Management wollte mir nur zehn Minuten geben. Dann wurde ein umwerfend offenes Gespräch von 75 Minuten daraus. Ich war immer glücklich, wenn Loki Schmidt vorbeikam, weil wir uns so gut
verstanden. Mit dem alten Schmidt war es auch besonders.

Ob Michael Douglas, Cat Stevens, Michail Gorbatschow: Es war ein großes Vergnügen, das so lange zu machen. Nicht nur wegen der Prominenten, auch bei den sozialen Themen habe ich beeindruckende Menschen kennengelernt.

Haben Sie für sich so etwas wie ein Lebensprinzip ausgemacht?

Meine Erfahrung ist: Wenn das Leben zu lange in den immer gleichen Bahnen verläuft, vermischen sich allmählich die Gleichgültigkeiten mit den Staubschichten. Und dann verbraucht sich alles. Ich mag mich gerne selber überraschen und fordern.

Womit könnte das in nächster Zeit gelingen?

Ich liebe dieses schillernde, untrüglich gute Gefühl von Fernweh. Die Müdigkeit der Beine, die Launen des Himmels: Reisen kann richtig glücklich machen. Das Entdecken von Neuigkeiten vermisse ich mittlerweile sehr. Ich träume davon, nach Corona in die Normalität zurückzukehren und das endlich wieder leben zu können.

Reinhold Beckmann
* 23. Februar 1956 in Twistringen
TV-Journalist: Hat Fußballspiele kommentiert, die "Sportschau" und die "Beckmann"-Talkshow moderiert und eine Produktionsfirma gegründet. Die von ihm konzipierte und moderierte Sportsendung "ran" revolutionierte die Sportbericht­erstattung im Fernsehen und machte Beckmann einem breiten Publikum bekannt. Bei Nestwerk engagiert sich der St.-Pauli-Fan seit 1999 für benachteiligte Jugendliche.
Privatmann: Aus seiner Ehe hat er zwei erwachsene Kinder und lebt in Hamburg.

Zum Thema

27914735_7c1c8df97f.IRWUBPROD_6UBO.jpg

Warum Tanzen jung hält

Tanzen fördert die Gesundheit – und macht gleichzeitig einfach Spaß. Über die schönste Form der Bewegung. zum Artikel

61484975_b6cef65fe8.IRWUBPROD_4R2M.jpg

Einmal täglich Glück | Der Glück-Podcast

Was ist das eigentlich: Glück? Begleiten Sie uns auf der Suche nach den kleinen und großen Glücksmomenten und hören Sie Gespräche über Glaube, Zufälle, Nächstenliebe und gutes Essen. zum Artikel

61753377_39b4c4b15d.IRWUBPROD_61S4.jpeg

Glücklich sein – in Krisenzeiten?

Können und dürfen wir derzeit Glücksmomente erleben? Moderatorin Claudia Röttger hat in ihrem Podcast mit Glücksexpertin Michaela Brohm-Badry von der Universität Trier gesprochen zum Artikel