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Sie wurden im selben Jahr in Dessau geboren wie Dieter Hallervorden ...

Ja, und wir wurden im selben Jahr an derselben Schule eingeschult – die aber noch nach Jungs und Mädchen getrennt war. Das haben wir erst Jahrzehnte später bei einem gemeinsamen Gastspiel in Dessau festgestellt.

Ursprünglich wollten Sie Pianistin werden. Woran ist das gescheitert?

Als ich 15 Jahre war, traf beim Schulsport ein Handball meinen linken kleinen Finger so unglücklich, dass er brach. Und nicht mehr richtig zusammenwuchs.

Das muss doch eine Katastrophe für Sie gewesen sein?

Das sollte man denken, schließlich war das Klavier mein Ein und Alles. Aber ich kann mich nicht daran erinnern. Merkwürdig, nicht wahr? Vielleicht habe ich es gründlich verdrängt, oder es war eine gewisse Erleichterung dabei, denn mit dem Klavierspiel war auch ein gewisser Druck verbunden. Eigentlich hätte ich für mein Alter schon weiter sein müssen.

Sie sind dann nahtlos zum Schauspiel gewechselt?

Beinahe. Mein Aha-Erlebnis war ein Schulausflug von Berlin nach Dessau, wo wir uns "Die Zauberflöte" anschauten. Die Aufführung war so schön, farbenfroh, vielfältig, das hat mich überwältigt. Der Duft der Schminke und des Pappmaschees, ich saß ganz vorn, das war großartig. Ich kannte doch nur mein bürgerliches, spießiges, kleines Leben – und das war plötzlich so magisch und wunderbar. Da stand fest: Ich werde Schauspielerin!

Sie hatten schon vor Ausbildungsende Engagements. Aber wie sind Sie zum Film gekommen?

Der Regisseur von "Das Mädchen Marion" hatte mich im Theater gesehen – das wurde meine erste große Rolle im Film.

Am bekanntesten wurden Sie anschließend durch drei Edgar-Wallace-Filme. Wie war das, als junges Mädchen mit den großen Stars der damaligen Zeit vor der Kamera zu stehen?

Wahnsinnig aufregend. Wir Jungen hatten eine riesige Ehrfurcht vor den alten Hasen. Und die ließen es einen auch fühlen, dass man ein Nichts war. Aber das hat uns gutgetan, wir sind nicht ausgeflippt wie heute so manche Eintagsfliege nach ihrem ersten Erfolg.

Sie sagen von sich, dass Sie die Fähigkeit besitzen, Verflossenem nicht nachzutrauern, sondern Dinge abhaken zu können ...

Ja, gerade Dinge, die mir wehgetan haben. Ich leide dann nicht, ich hake ab. Aber auch wenn ich mit einer Person abgeschlossen habe, gibt es kein Zurück. Von einer gewissen Wehmut bin ich trotzdem nicht frei, etwa wenn ich an den "Jedermann" denke, den ich von 1987 bis 2014 in Berlin inszeniert habe.

Stellen Sie so etwas wie Altersweisheit fest?

Ja. Die macht sich besonders in meinem Beruf bemerkbar. Bei Dingen, über die ich mich mit 70 noch aufgeregt hätte, etwa wenn jemand aus Versehen eine Pointe versemmelt. Heute sagt mir die Erfahrung: Es ist nur Theater, Unterhaltung. Und keine Operation am offenen Herzen. Es gibt Dinge im Leben, die wichtiger sind. Ich kann auch mit Kritik besser umgehen, fühle mich nicht mehr unantastbar. Durch meine Regiearbeit habe ich auch die andere Seite des Theaters kennengelernt. Wie lästig es ist, wenn die Schauspieler ständig unterbrechen.

War das Theater früher besser, schlechter oder einfach anders?

Besser war, dass man mehr Wert auf die Sprache legte. Bei drei Vierteln der Aufführungen, die ich mir heute ansehe, denke ich: "Warum sprechen die alle nicht gescheit?" Das ist heute Methode, es soll natürlich und heutig sein. Ich finde, Theater sollte nicht das Alltägliche sein, was die Menschen sowieso erleben.

Sie waren 16 Jahre lang eine der drei "Damen vom Grill" und sind seitdem eine Berliner Ikone. Werden Sie noch immer auf der Straße angesprochen?

In Berlin sogar täglich, aber auch wenn ich auf Tournee bin, sprechen mich Autogrammjäger an: "Das habe ich mit meiner Oma immer gesehen." In der Serie ist das alte Westberlin konserviert. Wir sind ja auch quer durch die Stadt gegurkt, haben die verschiedensten Ecken gezeigt. Wir würden die Serie gern wieder aufleben lassen oder ein Theaterstück draus machen. Aber wir kommen an die Rechte nicht dran.

Schauen Sie sich manchmal eine Folge an?

Nein, auch nicht die alten Filme. Aber wir machen jetzt Live-Hörspiele mit einigen der alten Wallace-Sachen: "Die seltsame Gräfin", "Das Gasthaus an der Themse" und "Das indische Tuch".

Sie sind jetzt 47 Jahre verheiratet – wie haben Sie das hingekriegt?

Die Antwort ist ganz banal: Wir lieben uns. Dazu gehört, dass man sich streitet, dass man sich verträgt, dass man nicht einer Meinung ist, dass man zusammen ist und jeder für sich. Wenn die Liebe groß genug ist, ist sie ausreichend für alles.

Was möchten Sie noch erreichen?

Ich würde gerne noch etwas gelassener werden.

Sie wirken wie Anfang 60. Wie schaffen Sie das?

Es gibt eine ganze Menge alte Leute, die viel jünger aussehen. Das ist auch eine Frage der Lebenseinstellung. Ich mache mir nichts draus, älter zu werden. Wer nicht vorher stirbt, wird nun mal älter. Da bin ich doch nicht traurig, dass ich wieder ein Jahr älter geworden bin, sondern freue mich, dass ich noch lebe und einigermaßen fit bin. Die Liebe ist ein bedeutender Punkt, aber auch  der Beruf ist ein Jungbrunnen. Diese zwei Stunden auf der Bühne bin ich in einer anderen Welt. Dort ist man ja nicht man selbst, sondern kann die Kontrolle abgeben und egal, was zu Hause ist, zwei Stunden lang alles vergessen. Das ist wie eine Droge.

Bühne als Jungbrunnen: Brigitte Grothum in der Komödie Winterhuder Fährhaus in Hamburg

Bühne als Jungbrunnen: Brigitte Grothum in der Komödie Winterhuder Fährhaus in Hamburg

Zur Person:

  • Brigitte Grothum wurde am 26. Februar 1935 in Dessau geboren.
  • Schauspielerin: Bekannt wurde Grothum durch die Edgar-Wallace-Filme der 60er-Jahre. Neben vielen Film- und Fernsehrollen blieb sie stets dem Theater treu.
  • Regisseurin: Von 1987 bis 2014 inszenierte Grothum jedes Jahr den "Jedermann" in Berlin.
  • Ehefrau: 1969 heiratete sie in zweiter Ehe den Arzt Manfred Weigert. Das Paar hat zwei Kinder und lebt in Berlin.

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