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Ihr Buch "Keine Zeit für Arschlöcher" beginnt mit dem Sterben Ihrer Mutter. War es schwer, so etwas Privates preiszugeben?

Eigentlich habe ich das Buch für mich geschrieben. Und zwar ehrlich und echt. Eigenschaften, die unglaublich oft beansprucht, aber in den seltensten Fällen gelebt werden. Es war mir ein Herzenswunsch, dieses Buch zu schreiben – also musste ich es auch so offen schreiben.

"Hör endlich auf, der Clown zu sein." Als Ihre Mutter das auf dem Sterbebett zu Ihnen sagte, hat das in Ihnen sehr viel ausgelöst …

Mein Humor war immer meine Geheimwaffe gegen alle Widrigkeiten und Schicksalsschläge. Und dann kommt auf einmal so eine Aussage. Das haut einem erst mal die Füße weg. Was meint sie? Habe ich bisher alles falsch gemacht? Habe ich mich hinter einer Maske versteckt?

Zumal Humor doch positiv besetzt ist. Was sollte also falsch daran sein, lustig zu sein?

Vielleicht meinte sie ja, dass die Zeit gekommen war, erwachsen zu sein. Dass es Momente gibt, die man in ihrem Ernst annehmen muss. Ihr Satz hat mein Leben noch mal komplett verändert. Ich kam ins Grübeln über die Endlichkeit des Lebens und stellte fest: Ich habe keine Zeit mehr für schlechte Laune – und Arschlöcher.

Sie haben Ihre Trauer lange nicht herausgelassen ...

Auch aus Selbstschutz. Wenn Sie ein Schicksalsschlag trifft, merken Sie schnell, dass sich Ihr Umfeld entfernt. Die möchten mit Ihnen nichts mehr zu tun haben. Die meinen das nicht mal böse. Die wissen nicht mehr, was sie mit Ihnen machen sollen. Irgendwelchen Blödsinn erzählen oder sich über Belanglosigkeiten aufregen geht ja nun nicht mehr. Also machen sie sich ihre eigene Welt und lassen Sie alleine. Nur ein paar echte Freunde bleiben.

Nach zwei Hirnschlägen und einem Herzinfarkt mit 26 und 28 haben Sie sich gleich wieder in viel Arbeit gestürzt. Warum?

Wenn Sie sich wohlfühlen, fällt Ihnen das leicht. Ich habe damals angefangen, Dinge zu machen, die mir viel Freude machen, ein Lokal eröffnet, parallel im Bergbau gearbeitet. Natürlich war ich sehr müde. Ich bin auch heute manchmal müde. Ja. Aber mir macht mein Leben Spaß. Ich bin sehr gerne fleißig. Weil ich es als Arbeiterkind immer noch drinhabe: Wenn du etwas schaffen möchtest, musst du etwas dafür tun.

Gleichzeitig schieben Sie Träume immer wieder auf, wie seit 40 Jahren Ihre große Motorradtour.

Vielleicht stelle ich mir meine Motorradtour ja viel schöner vor, als sie es wäre, wenn ich sie machen würde. Aber ich will an diesem Traum festhalten. Ich würde es mir so vorwerfen, wenn ich es nicht probiert hätte.

Sie sammeln leidenschaftlich alte Motorräder und Autos.

Mich fasziniert die Handwerkskunst, der Ideenreichtum. Oder ein wunderbares Design. Wenn ich ein altes Auto sehe, überlege ich: Wer hat das damals gekauft? Wie hat er gelebt? War er sehr stolz auf den Wagen?

Sie trennen sich auch problemlos wieder von vielem. Warum?

Der größte Reichtum liegt in der Freiheit, sich trennen zu können. In dem Moment, wo etwas für mich zum Ballast wird, der Aufwand so hoch wird, dass er mir die Freude nimmt. In unserem Haus haben wir genau so viele Autos und Motorrädchen, wie dort Platz haben, und wenn was Neues kommt, muss was gehen.

Hatten Sie als Teenager ein Idol?

Arnold Schwarzenegger. Ich fand es großartig, wie so ein Hänfling beschließt, Bodybuilding-Weltmeister zu werden, nach Amerika geht und das auch noch schafft. Natürlich hätte ich gerne ein bisschen so ausgesehen wie er. Obwohl: Als ich Anfang 20 war, da sah ich mal toll aus, davon gibt es Bilder!

Was bewog Sie als 14-Jährigen, Koch zu lernen?

Es gab nur zwei Berufswünsche in meinem Leben: Möbelschreiner und Koch. Beides hat mit dem zu tun, was ich so liebe. Das ganze Leben dreht sich um den Tisch, da essen und trinken wir. Und Tisch und Stühle muss ja jemand herstellen. Das andere ist, was auf den Tisch draufkommt. Menschen am Tisch zusammenzubringen, das war immer mein größtes Ziel.

Es gibt immer mehr Kochshows im Fernsehen, aber selbst gekocht wird immer weniger ...

Papa schafft die Kohle ran, Mama kocht jeden Mittag frisch – diese Zeiten sind einfach vorbei. Heute ist Kochen auf eine andere Art gefragter als je zuvor. Heute treffen sich Studenten zum Kochen. Es gibt Kochclubs für Männer. Wenn mein Vater gesagt hätte, er ginge in den Herrenkochclub, hätten die Nachbarn gesagt: "Der trägt doch heimlich Handtasche!" Die Leute sind bewusster geworden, aber auch inkonsequent. Wollen glückliche Hühner und rennen dann doch in den Supermarkt, wo es das Suppenhuhn gerade zehn Cent billiger gibt.

Viele Ältere sagen: "Für mich allein kochen lohnt sich nicht …"

Meine Mutter hat lange allein gelebt. Und sie hat gekocht. Nicht mehr jeden Tag. Aber sie hat einmal gekocht und sich drei Päckchen draus gemacht und zwei eingefroren. Das kann man sich lecker wieder warm machen.

Haben Sie ein Lieblingsgericht?

Ich mag sehr viele Dinge sehr gerne, bin aber nicht mehr so neugierig auf Neues wie früher. Ich muss kein neues exotisches Gemüse ausprobieren oder ein Tier, das ich noch nie gegessen habe. Aber mit Kartoffelpüree kriegt man mich immer. Das liebe ich! Wenn dann noch ein klein bisschen feine Kalbsleberwurst darunter ist oder ein bisschen Pesto und dann zum Fisch ... Eine Sensation! 

Was mögen Sie an sich und was nicht? 

Ich bin mittlerweile so weit, dass ich mich gern habe. Das ist sehr wichtig. Wenn ich mich selber nicht lieb hab, kann ich gar keine anderen mögen. Wenn ich mich ändern könnte, dann hätte ich schönere Füße, einen sehr muskulösen Körper, eine kürzere Nase – ich sähe schon anders aus. So wie George Clooney.

Zur Person:

  • Horst Lichter wurde am 15. Januar 1962 in Rommerskirchen geboren
  • Der gelernte Koch arbeitete in einer Brikettfabrik, bis er sein eigenes, inzwischen geschlossenes Lokal eröffnete. Bekannt machten ihn die Kochshows "Kerner kocht" und "Lafer! Lichter! Lecker!" 
  • Aus erster Ehe hat er zwei Kinder, ein drittes starb als Baby. Eine Tochter aus zweiter Ehe. Mit seiner dritten Frau Nada lebt er im Schwarzwald.