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Die von Ihnen verkörperte "Kommissarin Lucas" läuft im 14. Jahr, obwohl sie eher der spröde Typ ist. Was macht sie so beliebt?

Vor allem sprechen ihr die Zuschauer ein hohes Maß an Kompetenz zu. Sie ist kühl, kompromisslos und hält aus ihrer Professionalität heraus eine misstrau­ische Distanz zu ihrer Umwelt. Sie ist moralisch und hat hohe Ansprüche. Mir war immer wichtig, dass sie sich eben nicht durch "typisch weibliche" Eigenschaften auszeichnet wie nett und empathisch zu sein. Vielleicht macht gerade das sie besonders authentisch.

Warum liegt Ihnen der neue Fall besonders am Herzen?

Es ist ein außergewöhnlicher Krimi, ein Brüderdrama, bei dem einer von beiden das Downsyndrom hat. Im Film geht es im weitesten Sinn um Selbstoptimierung. Um die Angst ausgegrenzt zu werden, wenn man den Maßstäben von Attraktivität nicht genügt. Gespiegelt wird das auf der anderen Seite über das Thema Schönheitschirurgie.

Zur Person:

  • Ulrike Kriener wurde am 24.12.1954 in Bottrop geboren
  • Schauspiel: Aufgewachsen in Oberhausen. Nach dem Abitur Schauspielschule in Hamburg. Parallel zu ersten Bühnenrollen spielte sie die Hauptrolle im TV-Mehrteiler "Britta". Durchbruch 1985 mit "Männer". Seitdem viele TV- und Kinofilme. Seit 2004 ermittelt sie als "Komissarin Lucas".
  • Privat: Mit dem Drehbuchautor und Regisseur Georg Weber hat sie Sohn Paul (*1995). Das Ehepaar lebt in München.

Wie stehen Sie dazu, wenn sich Menschen liften lassen?

Unsere Vorstellung von Schönheit wird stark geprägt von dem, was wir in den Medien sehen. Als objektiv schön gilt ein möglichst symmetrisches Gesicht. Aber damit wird es auch langweiliger: Es sind die Unregelmäßigkeiten, Fehler und Makel, die Individualität ausmachen.  

Ihr Vater war Betriebsführer in einem Bergwerk. Wie sah die Straße Ihrer Kindheit aus?

Wir wohnten anfangs in einer Zechensiedlung: meine Eltern, meine Oma und ich, in einer kleinen Wohnung im zweiten Stock. Ich wohnte da sehr gern, weil in der Siedlung immer Kinder zum Spielen waren. Wir waren den ganzen Tag draußen, bis uns die Mutter vom Balkon aus nach Hause rief. Ich hatte eine schöne Kindheit.

Trotzdem sind Sie mit 17 Jahren bei Nacht und Nebel nach Hamburg ausgerissen.

Da war ich in der Pubertät und auch durch die 68er geprägt: Cordhosen, Parka, lange Haare, mit den Lehrern streiten. Die Rebellion gegen die Strenge im Elternhaus, die Atmosphäre, die in der Gesellschaft herrschte, und nicht zu vergessen die schlechten Noten in der Schule weckten in mir den Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit. Als ich mich auf einem Popkonzert in einen Hamburger verliebte, war ich nicht mehr zu halten. Im Norden bin ich wieder aufs Gymnasium gegangen und habe mein Abitur gemacht.

Sie bewarben sich danach an einer Schauspielschule. Warum?

Ich schwankte in meinen Interessen etwas ratlos zwischen Archäologie und Sozialpädagogik. Aber dann hat ein Freund, der Musiker war, mir eine neue, faszinierende Welt eröffnet: die Kunst. Eine Freundin wollte sich an der Schauspielschule bewerben, und ich ging spontan mit. Wir wurden beide angenommen.

Sie haben schon an vielen Orten gelebt. Können Sie sich gut auf "neue Heimaten" einstellen?

Ich habe es immer genossen, umzuziehen, mich neu zu orientieren und neue Verbindungen herzustellen. Ich komme noch immer gerne an neue Orte, bin weiter sehr neugierig und kontaktfreudig, lasse mich gerne inspirieren.
    

Schauspielerin Ulrike Kriener in "Und Tschüss, Ihr Lieben".

Schauspielerin Ulrike Kriener in "Und Tschüss, Ihr Lieben".

Sie machen viele Lesungen. Warum ist Lesen so wichtig?

Lesen hilft, die Sprache für Gefühle zu finden und sich aus seinem Innersten heraus auszudrücken. Und es ist ein Trost, der Ort, wo man hinkann, wenn man mit allem anderen nicht sein will. Bücher sind eine seelische Heimat.

Sie lesen immer fremde Texte. Reizt es Sie, selbst zu schreiben?

Nein, das traue ich mir nicht zu. Ich bin auch gar nicht der Typ, der tagelang sitzt und schreibt.

Sie sollen außerordentlich ordentlich sein.

"Außerordentlich" finde ich nicht. Ich brauche einfach Struktur in meinem Leben. Der Begriff "Aufgeräumt sein" beschreibt eine Umgebung, aber auch einen persönlichen Zustand, und damit fühle ich mich wohl.

Räumen Sie Mann und Sohn stumm hinterher oder beklagen Sie sich?

Weder noch. Mein Mann hat irgendwann selbst gemerkt, dass Ordnung ihm das Leben erleichtert. Als mein Sohn noch zu Hause wohnte, war sein Zimmer ganz und gar seine Sache. 

Beschäftigt Sie das Thema Alter?

Sehr. Mein Vater ist 87 Jahre alt, lebt alleine und will keinen Zentimeter seiner Selbstständigkeit aufgeben. Da komme ich natürlich ins Grübeln, wie ich, wie wir später einmal leben wollen. Und was es in der Gesellschaft für Angebote gibt, um seine Art zu leben bis zum Ende aufrechtzuerhalten. Wir reden immer über diejenigen alten Leute, die super viel Kohle und dicke weiße Haare haben, die noch sportlich sind, in den Urlaub fahren, Vorlesungen an der Uni besuchen. Aber wie geht es denen, die das alles nicht mehr haben, die  wirklich Hilfe brauchen?

Sie engagieren sich seit vielen Jahren für das ambulante Kinderhospiz der Malteser in München …

Ja, vor dem Hintergrund meiner persönlichen Geschichte. Mein erster Sohn wurde nur eine Woche alt, das ist ein Lebensthema für mich geworden. Der Tod eines Kindes ist ein sehr schmerzhaftes Thema. Man darf die Betroffenen damit nicht alleine lassen. Wenn ich als prominenter Mensch helfen kann, darüber in der Öffentlichkeit zu sprechen, die Ehrenamtlichen und die Familien zu unterstützen, freut mich das.

Stimmt es, dass Sie sehr harmoniebedürftig sind?

Bedürftig würde ich das nicht nennen. Aber ich mag es einfach, wenn, privat wie beruflich, Menschen in einer guten Stimmung zusammenkommen. Und dafür kann man ja auch etwas tun.