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Nähe, Intimität und Berührung spielen nicht nur im Heim eine wichtige Rolle. Auch für die häusliche Pflege hat Sexualität "eine große Brisanz", weiß Silke Wendland von pro familia Niedersachsen, die Fortbildungen zum Thema organisiert. "Sexuelle Probleme können erheblich zur Überforderung der Angehörigen beitragen. Leider fällt der Aspekt in der Pflegeberatung oft unter den Tisch."

Hier sind drei typische Konfliktsituationen – und wie Sie sich als Angehöriger verhalten können:

"Seitdem ich meinen Mann nach einem Schlaganfall pflege, läuft zwischen uns nichts mehr."

In der Pflege verändern sich häufig die Rollen. Ihr Partner, den Sie ein Leben lang auf Augenhöhe wahrgenommen haben, als stark und begehrenswert, ist nun von Ihrer Hilfe abhängig. Möglicherweise bringen Sie den Kranken auch zur Toilette, waschen und betten ihn. Darunter kann die sexuelle Anziehung leiden. Umgekehrt raubt Ihnen die Pflege vielleicht so viel Kraft, dass Ihnen schlicht die Lust auf Sex abgeht.

  • Kommen Sie mit Ihrem Partner ins Gespräch. Das ist das Wichtigste! Reden Sie darüber, wie schwierig die Situation für Sie beide ist, welche sexuellen Wünsche Sie haben – ohne den anderen unter Druck zu setzen.
  • Nutzen Sie Beratungsangebote für Paare, zum Beispiel von pro familia. Falls Sie nicht fündig werden: Erkundigen Sie sich bei der Pflegeberatung, etwa bei einem Pflegestützpunkt, nach Anlaufstellen in der Gegend.
  • Besuchen Sie einen Gesprächskreis für pflegende Angehörige. Die Runde bietet einen diskreten Rahmen, in dem Sie das sensible Thema offen ansprechen können.
  • Holen Sie sich Hilfe bei der Pflege. Oft ist es gut, wenn die Körperpflege von einem ambulanten Pflegedienst übernommen wird. Das erlaubt es Ihnen und Ihrem Partner, sich wieder stärker als Paar wahrzunehmen. Falls dies für Sie nicht in Betracht kommt: Lassen Sie Ihren Partner bei der Pflege so viel wie möglich selbst machen.

"Mit der Demenz hat sich meine Frau völlig verändert. Sie ist anzüglich geworden, zieht sich auf einmal im Wohnzimmer nackt aus."

Eine Demenzerkrankung kann sich auf die Sexualität auswirken. Manchmal dürfte es für Sie schwierig sein zu beurteilen, ob das Verhalten Ihres Partners den Wunsch nach körperlicher Nähe ausdrückt oder ein Symptom der Demenzerkrankung darstellt.

Informieren Sie sich über die Erkrankung. So können Sie das Verhalten Ihres Partners besser einschätzen. Demenz ist nicht gleich Demenz: Manche Formen führen dazu, dass der Patient seine Impulse immer weniger kontrollieren kann und ein enthemmtes Verhalten zeigt.

Sexuelles Verhalten muss nicht (immer) Sex bedeuten. Auch wenn die Situation eindeutig zu sein scheint: Entkleidet sich Ihr demenzkranker Partner plötzlich, kann das auch daran liegen, dass ihm zu warm ist. Fasst er sich an die Genitalien, sucht er vielleicht Geborgenheit und Bestätigung. Die Erkrankung führt dazu, dass sich Ihr Partner nicht anders ausdrücken kann.

Suchen Sie Rat. Auch für das Thema Sexualität bei Demenz dürfen Sie in einem Gesprächskreis für pflegende Angehörige auf Verständnis und Unterstützung rechnen. Fachkundige Hilfe erhalten Sie außerdem am "Alzheimer-Telefon" der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft (030/259379514) und in der Broschüre "Sexualität und Demenz" von pro familia, zu bestellen unter www.profamilia.de.

"Kaum dass mein Vater in die Tagespflege geht, hat er sich dort eine Freundin angelacht und tätschelt an ihr herum. Damit komme ich nicht klar."

Über die Sexualität ihrer Eltern wissen auch erwachsene Kinder in der Regel wenig oder nichts. Möglicherweise fällt es Ihnen als Tochter oder Sohn auch schwer, Ihre Eltern als sexuell aktive Menschen wahrzunehmen.

  • Versuchen Sie, sich in die Lage Ihrer Mutter oder Ihres Vaters zu versetzen. Was würden Sie sich in deren Situation wünschen?
  • Vielleicht gelingt es Ihnen, das späte Glück positiv zu sehen: Es ist doch schön, dass Ihre Mutter oder Ihr Vater solche Regungen zeigen kann – auch in Zeiten von Alter und Krankheit.
  • Sprechen Sie das Pflegepersonal an. Welche Beobachtungen machen die Fachkräfte vor Ort? Oft tut die Liebe auch gesundheitlich gut, manchmal können sogar die Medikamente reduziert werden.

Fachliche Beratung:
Silke Wendland, pro familia Niedersachsen