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In vielen Apotheken bleiben die weißen Kittel in dieser Woche im Schrank. Die Teams tragen rot statt weiß – als Teil einer Aktion, mit der sie auf die zum Teil schwierige Situation der Apotheken aufmerksam machen wollen. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hatte die Aktion unter dem Slogan „Wir sehen rot“ ins Leben gerufen. Sie sieht die Apotheken unter wachsendem Druck und warnt vor deutlichen Lücken in der Versorgung.

Seit Jahren sinkt die Zahl der Apotheken in Deutschland. Bis Ende März war sie auf 17.429 Betriebe und damit auf einen neuen Tiefstand gefallen. Die Schließungswelle habe zuletzt deutlich an Fahrt aufgenommen, sagte ABDA-Ökonomie-Expertin Claudia Korf am Dienstag (23. April 2024) in Potsdam. „Ein Viertel der Apotheken ist akut gefährdet, wenn keine Reform kommt, die endlich Verbesserungen bringt.“ Rund 21 Apotheken kommen in Deutschland heute auf 100.000 Einwohner, EU-weit liegt der Durchschnitt bei 32 Betrieben.

„Sach- und Personalkosten sind explodiert“

Hintergrund der Schließungen ist laut ABDA eine verschleppte Honoraranhebung. Apotheken bekommen für jedes rezeptpflichtige Medikament 3 Prozent vom Verkaufspreis und eine Pauschale von 8,35 Euro. Zuletzt war dieses Fixhonorar 2013 angepasst worden.

Unterm Strich sei die Vergütung der Apotheken in ihrem Kerngeschäft binnen zehn Jahren um nur 10 Prozent gestiegen, so Korf. „Sach- und Personalkosten sind im gleichen Zeitraum regelrecht explodiert.“ Seit Anfang 2023 müssen die Apotheken den Krankenkassen zudem vorübergehend einen höheren Rabatt auf verschreibungspflichtige Medikamente einräumen. Die Ampel-Regierung hatte den sogenannten Kassenabschlag von 1,77 Euro auf 2 Euro angehoben, um die finanziell angeschlagene Gesetzliche Krankenversicherung zu stabilisieren.

Lieferengpässe haben eher zugenommen und sind nicht wie versprochen weniger geworden

Lieferengpässe und Fachkräftemangel treffen Apotheken

Zugleich sorgen die Lieferengpässe in den Apotheken zum Teil für erhebliche Mehrarbeit. Daran habe auch das Lieferengpass-Gesetz der Bundesregierung nichts geändert, sagte Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV). Das Gesetz war im vergangenen August in Kraft getreten. „Lieferengpässe haben seitdem eher zugenommen und sind nicht wie versprochen weniger geworden.“

Auch den Fachkräftemangel bekommen die Apotheken zu spüren. Zwar steigt die Zahl der Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland. „In den öffentlichen Apotheken kommen diese Kräfte aber nicht an“, so ABDA-Expertin Korf. So wanderten viele junge Pharmazeutinnen und Pharmazeuten in die Industrie und Krankenhäuser ab. Viele Inhaberinnen und Inhaber haben zudem Probleme, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu finden.

2023 erzielte eine typische Apotheken 148.000 Euro Gewinn vor Steuern (2022: 160.000 Euro). Das geht aus dem aktuellen Wirtschaftsbericht des Deutschen Apothekerverbands hervor. Allerdings: Ein Drittel aller Inhaber (34 Prozent) lag mit dem Betriebsergebnis unter der Vergütung eines angestellten Krankenhausapothekers (75.000 Euro brutto).

Um auf die Probleme in der Arzneimittelversorgung aufmerksam zu machen, haben die Apotheken-Teams in den vergangenen Monaten mehrfach protestiert. „Wir brauchen ein Soforthilfeprogramm“, sagte Hubmann heute. Die ABDA drängt unter anderem auf eine Anhebung der Vergütung pro Packung von derzeit 8,35 Euro auf 12 Euro.

Filialen ohne Apotheker oder Apothekerin vor Ort

Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) hat hingegen andere Pläne. Er möchte die Mittel im Apothekenmarkt umverteilen, umsatzstarke Betriebe sollen dann weniger, kleine Apotheken dafür mehr Geld bekommen. Darüber hinaus sollen in strukturschwachen Regionen Filialen möglich werden, in denen nicht zwingend ein Apotheker oder eine Apothekerin vor Ort anwesend sein muss. Es würde reichen, wenn sie sich bei Bedarf per Video zuschalten, die Versorgung vor Ort sollen den Plänen zufolge pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten sicherstellen.

Die ABDA wehrt sich gegen diese Vorhaben und warnt vor Qualitätseinbußen in der Versorgung. Unterstützung hat sich die Bundesvereinigung vom ehemaligen Verfassungsrichter Professor Dr. Udo di Fabio geholt, der ein Gutachten im Auftrag der ABDA erstellt hat. Demnach hat der Staat in der Arzneimittelversorgung eine Schutzpflicht gegenüber den Bürgern mit Blick auf das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Erlaube er Apotheken ohne Apotheker vor Ort, könnte das eine Art Eingriff in die Grundrechte sein, so di Fabio.