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Beim Frühstück die Mails durchgehen, während der Videokonferenz schon das nächste Projekt bearbeiten, während eines Meetings Emails lesen: Viele kennen das. „Man hat das Gefühl, dass man supereffizient ist, wenn man mehrere Dinge gleichzeitig macht. Untersuchungen zeigen aber, dass das eine Selbsttäuschung sein kann“, sagt Professorin Andrea Kiesel vom Institut für Psychologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Springen wir zwischen mehreren Aufgaben hin und her, zwingen wir unser Gehirn, immer wieder die Informationen für die jeweilige Aufgabe abzurufen. Die Folge: Wir fühlen uns schneller erschöpft, wissen gar nicht mehr, wo uns der Kopf steht. Oder was wir eigentlich alles gemacht haben.

Professorin Dr. Andrea Kiesel forscht am Institut für Psychologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg unter anderem zu den Auswirkungen von Multitasking.

Professorin Dr. Andrea Kiesel forscht am Institut für Psychologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg unter anderem zu den Auswirkungen von Multitasking.

Monotasking macht uns produktiver

Untersuchungen haben gezeigt: Nach einer Unterbrechung brauchen wir etwa 23 Minuten, bis wir uns wieder auf die ursprüngliche Aufgabe konzentrieren können. Die Anzahl der Fehler steigt, wenn wir nicht bei der Sache sind. Im „Stressreport“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin gab jeder Fünfte der rund 18.000 Befragten an, unter Multitasking zu leiden.

Die Gegenbewegung dazu lautet Monotasking – gezielt eine Aufgabe nach der anderen bearbeiten. Die Methode soll gelassener und produktiver machen und uns mehr Zeit schenken. Allerdings geht es nicht darum, in den gewonnenen Stunden noch mehr Aufgaben zu erledigen. Sondern sie für Pausen und zur Erholung zu nutzen. Weiterer Vorteil: Wer sich ganz bewusst auf eine Sache konzentriert, kommt eher in den sogenannten Flow, kann in einer Aufgabe vollkommen aufgehen und alles um sich herum vergessen. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Techniken, die uns dabei helfen können. Auf den folgenden Seiten stellen wir die bekanntesten vor.

Prioritätenliste schafft Ordnung im Kopf

Ein riesiger Berg Arbeit löst nicht nur ein Gefühl der Überforderung aus. Er verleitet uns auch dazu, ­mehrere Dinge gleichzeitig anzugehen. Überlegen Sie sich stattdessen, welche Aufgaben an diesem Tag Priorität haben – und in welcher Reihenfolge Sie diese abarbeiten wollen. Das gibt Struktur und hilft dabei, sich nicht zu verzetteln. Außerdem erkennen Sie dadurch leichter, welche Aufgaben noch warten können. Noch besser ist es, sich kurz vor Feierabend ein paar Minuten Zeit zu nehmen und zu überlegen, welche Projekte am nächsten Tag wichtig sind.

Wer die Punkte schriftlich festhält, schafft Ordnung im Kopf und kann unbeschwerter in den Feierabend starten. Am nächsten Morgen reicht dann ein kurzer Blick auf die Liste, um zu wissen, was zu tun ist. Wichtig ist, sich nicht zu viele Punkte auf die Liste zu setzen und auf genügend Puffer zu achten. Dann fällt es leichter, auf unvorhergesehene Aufgaben zu reagieren.

Ähnliche Aufgaben zusammenfassen

Planen Sie feste Zeiten ein, in denen Sie bestimmte Aufgaben bündeln. Wenn Sie schon einmal den Telefonhörer in der Hand haben, könnten Sie auch gleich noch die zwei anderen wichtigen Telefonate erledigen. Auch für E-Mails, die nicht sofort ­beantwortet werden müssen, lässt sich zum Beispiel morgens und nachmittags eine Viertelstunde ­reservieren. Indem Sie ähnliche Aufgaben ­zusammenfassen, entlasten Sie Ihr Gehirn, weil Sie nicht ständig zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her springen müssen.

Störfaktoren wie Handy und E-Mail ausschalten

Einer der größten Zeitfresser sind E-Mails und andere Benachrichtigungen. Sie unterbrechen den Gedankenfluss, lösen Stress aus und ziehen nicht selten neue Aufgaben nach sich. „Wir haben mittlerweile ein wahnsinniges Ablenkungspotenzial“, sagt Claus-Christian Carbon, Professor für Allgemeine Psychologie und Methodenlehre an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.

Zugegeben, gerade im Berufsleben ist es nicht immer möglich, über mehrere Stunden hinweg alle Nachrichten zu ignorieren. Allerdings können Sie versuchen, sich zumindest phasenweise nicht stören zu lassen. Stellen Sie zum Beispiel den Mitteilungston aus. Auch Push-Benachrichtigungen am Smartphone lassen sich abschalten. Für manche kann es auch sinnvoll sein, den Posteingang für einen gewissen Zeitraum zu schließen.

Wer bei Nachrichtendiensten die Funktion „Bitte nicht stören“ aktiviert, zeigt anderen an, dass er oder sie vorübergehend nicht erreichbar ist. Sie können Ihren Kolleginnen und Kollegen auch freundlich sagen, dass Sie sich für die nächste halbe Stunde konzentrieren wollen.

Ordnung auf dem Schreibtisch schaffen

Eine aufgeräumte Umgebung kann dabei helfen, sich besser auf eine Aufgabe zu konzentrieren – Ordnung im Außen schafft Ordnung im Inneren. Doch die Realität sieht oft anders aus. Und auf dem Schreibtisch stapeln sich zum Beispiel Unterlagen und die benutzten Kaffeetassen der Vortage. Nehmen Sie sich kurz vor Feierabend ein paar Minuten Zeit, um Ihren Arbeitsplatz aufzuräumen. So fällt es am nächsten Tag ­leichter, sich auf die erste Aufgabe zu fokussieren.

Natürlich muss das nicht für alle gelten. „Für manche ist es absolut notwendig, dass der Schreibtisch sauber und nach ihrem System aufgeräumt ist. Mein Schreibtisch hingegen ist total ungeordnet“, sagt Psychologe Carbon. Für ihn sei das kein Problem. Der Experte rät, einfach verschiedene Techniken auszuprobieren.

Das Pomodoro-Prinzip setzt auf regelmäßige kurze Pausen.

Das Pomodoro-Prinzip setzt auf regelmäßige kurze Pausen.

Pomodoro-Technik für mehr Pausen

Regelmäßige Pausen steigern die Kreativität, das haben Studien gezeigt. Auf diesen Effekt setzt die Pomodoro-Technik. Dabei geht es darum, Auf­gaben in kurzen Zeitfenstern zu bearbeiten und ­zwischendurch Pausen einzulegen. Benannt wurde die Technik übrigens nach einem Küchenwecker in Tomatenform, den der Erfinder genutzt haben soll.

Sie benötigen lediglich einen Wecker und eine Liste mit den Aufgaben, die am jeweiligen Tag Priorität haben. Stellen Sie den Wecker auf etwa 25 Minuten und arbeiten Sie in dieser Zeit konzen­triert an einer Aufgabe. Sobald die Zeit abgelaufen ist, machen Sie fünf Minuten Pause. „Es ist wichtig, regelmäßig Pausen zu machen. Und nicht erst, wenn man bereits total erschöpft ist“, sagt ­Expertin Andrea Kiesel.

Beim Timeblocking wird die Zeit klar nach Aufgaben strukturiert.

Beim Timeblocking wird die Zeit klar nach Aufgaben strukturiert.

Timeblocking teilt den Kalender in Zeitblöcke

Überlegen Sie sich, welche Dinge täglich und über die Woche hinweg Priorität ­haben. Danach unterteilen Sie Ihren ­Kalender in Zeitblöcke, die jeweils einer Tätigkeit gewidmet sind. Das kann ein Projekt in der Arbeit sein, ein Treffen mit Bekannten oder Sport. Wichtig ist, dass Sie die Zeitfenster im Kalender festhalten und zum Beispiel farbig markieren. Das hilft, sich die Zeit auch wirklich zu nehmen. Denn gerade Auszeiten, in denen wir uns nur um uns selbst kümmern, werden im ­stressigen Alltag schnell vernachlässigt.

Auch zu Hause neigen wir immer ­öfter dazu, nicht mehr bei der Sache zu sein. „Dieses Phänomen, dass jemand zum Beispiel beim Fernsehen das Handy nutzt, wird immer ­häufiger“, sagt Andrea Kiesel. „Man muss sich fragen, wo da der Erholungsaspekt bleibt.“ Auch das Zwischenmenschliche werde durch das Multitasking oft vernachlässigt, sagt Claus-Christian Carbon. „Ich gehe zum Beispiel während meiner Sprechstunde nur ans Telefon, wenn es wirklich absolut nötig ist.“ Wer etwa ­gerade mit den Kindern spielt, sollte nicht parallel eine E-Mail schreiben. Sondern die gemeinsame Zeit lieber in vollen Zügen genießen.

Das Eisenhower-Prinzip gliedert Aufgaben nach Dringlichkeit.

Das Eisenhower-Prinzip gliedert Aufgaben nach Dringlichkeit.

Das Eisenhower-Prinzip: Sofort erledigen oder verschieben

Beim Eisenhower-Prinzip teilt man Aufgaben in vier Kategorien ein. Projekte, die wichtig und dringlich sind, werden sofort erledigt. „Wenn ich zum Beispiel in 20 Minuten einen Vortrag fertig haben muss, mache ich bis dahin nichts ­anderes. Auch keinen Kaffee“, sagt Psychologe Carbon. Für Aufgaben, die wichtig, aber nicht dringlich sind, sollten Sie sich eine Frist setzen. Dringliche, aber nicht wichtige Aufgaben können Sie auch gut an andere abgeben. To-dos, die weder wichtig noch dringlich sind, lassen sich guten Gewissens auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Oder Sie streichen sie einfach ­komplett von Ihrer Liste und machen sich stattdessen einen Kaffee.

Die Alpen-Methode: Den Berg Arbeit strukturieren

Bei dieser Methode stehen die Buchstaben des Wortes „Alpen“ für verschiedene Schritte, um den Aufgabenberg zu bewältigen. A wie Aufgaben, heißt: To-Dos aufschreiben. L steht für Länge einschätzen. Beim P wie Pufferzeit einplanen geht es darum, auch etwas Zeit zwischen den Aufgaben zu lassen, weil niemand frei davon ist, doch mal kurz abgelenkt zu sein durch eine Störung. Oder es kann ja auch mal sein, eine Aufgabe dauert länger als geplant. Damit man nicht in Zeitnot gerät und der Stresspegel steigt, sind Reservezeiten also sinnvoll. Das E in Alpen steht für Entscheidungen über Prioritäten treffen und beim N wie Nachkontrollieren, schaut man dann, ob der eigene Plan aufgegangen ist. Das Ergebnis kann für zukünftige Arbeitsberge genutzt werden.

Das „Eat the frog“-Prinzip: Das Schlimmste zuerst

„Eat the frog“ heißt frei übersetzt: „Schluck‘ die Kröte!“ Auf den Job bezogen bedeutet das: Den Arbeitstag direkt mit der „ekligsten“ oder unliebsamsten Aufgabe starten und diese nicht (wie so oft) aufschieben. Ist die „Kröten-Aufgabe“ erledigt, kann sich ein Gefühl der Erleichterung einstellen, das „Schlimmste“ bereits hinter sich zu haben. So lässt es sich viel produktiver und motivierter weiterarbeiten.

Pareto-Prinzip: Mit wenig Zeit viel schaffen

Diese Technik wird oft auch als „80/20-Regel“ bezeichnet. Das bedeutet, dass man bereits mit 20 Prozent der Zeit 80 Prozent des Ergebnisses erreichen kann. Vorausgesetzt, man bleibt während dieser Zeit konzentriert und lässt sich nicht ablenken. Diese Strategie soll dazu ermutigen, zuerst die Aufgaben anzugehen, die schnell zu erledigen sind. Hat man das geschafft, fühlt man sich erleichtert und ist motiviert, auch den Rest in Angriff zu nehmen.

Damit das gelingt, sollte man sich fragen, mit welchen Aufgaben man bei relativ geringem Zeitaufwand die größten Erfolge erzielt. Die gesparte Zeit sollte man nicht nutzen, um noch mehr Aufgaben zu erledigen und sich noch mehr Stress aufzuhalsen. Stattdessen sollten wir die Zeit für Pausen und zur Entschleunigung nutzen. „Wir wollen immer effizient sein und sind in einer regelrechten Effizienzfalle“, sagt Claus-Christian Carbon. „Dabei merken wir immer mehr, dass uns das nicht mehr erfüllt.“ Gerade Menschen, die unter starkem Stress stehen, sollten sich deshalb regelmäßige Auszeiten gönnen.


Quellen:

  • Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Arbeits­unterbrechungen und Multi­tasking täglich meistern. Online: https://www.baua.de/... (Abgerufen am 10.05.2023)
  • Madore K, Khazenzon A, Backes C et al. : Memory failure predicted by attention lapsing and media multitasking. Nature : https://www.nature.com/... (Abgerufen am 15.05.2023)
  • Die Techniker : Schluss mit dem Multi­tas­king . Online: https://www.tk.de/... (Abgerufen am 04.05.2023)
  • AOK: Richtiges Zeitmanagement vermeidet Stress. Online: https://www.aok.de/... (Abgerufen am 03.05.2023)
  • Heinrich Heine Universität Düsseldorf : Pomodoro-Technik . Online: https://www.philgrad.hhu.de/... (Abgerufen am 25.05.2023)
  • Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Stressreport Deutschland 2019. Online: https://www.baua.de/... (Abgerufen am 15.05.2023)
  • Wick S: Abgelenkt? Unterbrechungen, Lärm und Aufmerksamkeit anziehende Dinge. Online: https://blog.rwth-aachen.de/... (Abgerufen am 29.05.2023)
  • Universität Hildesheim : Tipps rund ums Studieren | Zeitmanagement. Online: https://www.uni-hildesheim.de/... (Abgerufen am 18.05.2023)