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Jeder vierte Deutsche ist stark übergewichtig. Um diesen Anteil zu verringern, wird aktuell ein Disease-Management-Programm (DMP) entwickelt, das die Gewichtsreduktion nachhaltig und nach den offiziellen Leitlinien unterstützen soll. In DMPs – die auch Chroniker-Programme genannt werden – können sich gesetzlich krankenversicherte Patientinnen und Patienten einschreiben lassen. Damit profitieren sie von therapeutischen Maßnahmen, die aufeinander abgestimmt sind. Dazu gehören regelmäßige Besuche in der Praxis.

Was ist ein DMP und was kostet es?

Die DMP sind seit vielen Jahren bereits für andere chronische Erkrankungen fest etabliert und tragen dazu bei, Betroffene kontinuierlich medizinisch zu überwachen und damit ihr Leiden besser zu managen. Die Teilnahme an einem DMP ist kostenlos, freiwillig und kann jederzeit beendet werden.

Das Bundesministerium für Gesundheit hat das DMP Adipositas geprüft und zum 1. April 2024 freigegeben. Damit rückt das neue Chroniker-Programm in greifbare Nähe. Eine gute Entwicklung für alle Menschen mit Übergewicht, finden die Deutsche Adipositas Gesellschaft (DAG) und die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG). Denn Adipositas hat weitreichende Folgen: Wer zu viele Pfunde mit sich herumschleppt, mindert nicht nur die eigene Lebensqualität, auch die Lebenserwartung ist bei starkem Übergewicht verkürzt.

Was bedeutet das DMP für die Krankheit Adipositas?

Für Prof. Dr. Baptist Gallwitz, Facharzt für Innere Medizin, Diabetologie und Endokrinologie am Universitätsklinikum Tübingen ist das DMP Adipositas schon längst überfällig: „Mit Einführung des Programms wird jetzt allgemein bestätigt, dass krankhaftes Übergewicht eine chronische behandlungsbedürftige Erkrankung ist und ein Anspruch auf Behandlung besteht. Übergewicht ist damit hoffentlich endlich entstigmatisiert.“ Auch Prof. Dr. Matthias Blüher, Leiter der Adipositas-Ambulanz für Erwachsene der Universitätsmedizin Leipzig sowie Professor für Klinische Adipositasforschung an der Universität Leipzig hält diesen Schritt für notwendig. „Adipositas ist zwar nicht heilbar, aber behandelbar“, sagt er.

Mit Einführung des Programms wird jetzt allgemein bestätigt, dass krankhaftes Übergewicht eine chronische behandlungsbedürftige Erkrankung ist und ein Anspruch auf Behandlung besteht

Wie kommen Betroffene in das DMP Adipositas?

Menschen mit krankhaftem Übergewicht sollen laut DMP-Entwurf in der Hausarztpraxis behandelt werden. Der Hausarzt oder die Hausärztin führt die Untersuchungen durch und dokumentiert sie. In bestimmten Fällen können auch Diabetologen, Ernährungsmedizinerinnen oder Gastroenterologen das Programm koordinieren.

Da das neue DMP noch keine Schulungsprogramme enthält, erstellen die DAG und die DDG zusammen mit anderen Partnern derzeit ein Konzept, in dem die genauen Inhalte ausgearbeitet werden. Richtig starten wird das DMP vermutlich erst Anfang 2025.

Wer darf am DMP Adipositas teilnehmen?

Fest steht schon, wer am DMP Adipositas teilnehmen darf: Alle Erwachsenen ab einem Body-Maß-Index (BMI) von 35, also mit Adipositas Grad 2 oder einem BMI von 30 (Adipositas Grad 1), wenn zusätzlich bereits Begleiterkrankungen des Übergewichts wie beispielsweise Bluthochdruck oder Diabetes vorliegen. „Vermutlich werden Gesundheits-Apps zum Abnehmen wie Oviva Bestandteil des Programms sein. Diese Apps sind modular aufgebaut und können im Prinzip ein Leben lang fortgeführt werden“, so Blüher.

Engeres Verhältnis zu den Betroffenen

Bislang konnte die Behandlung von Adipositas in der Hausarztpraxis nicht abgerechnet werden. „Mit einer strukturierten Behandlung im Rahmen des DMP hingegen ist dies möglich. Hausärzte haben dann die Möglichkeit, sich im Rahmen eines strukturierten Konzepts noch besser um das Gewicht ihrer Patienten zu kümmern“, erläutert Blüher. Die Bindung zwischen dem Betroffenem und seinem Arzt oder seiner Ärztin wird enger. Außerdem motivieren die regelmäßigen Praxis-Besuche wahrscheinlich den einen oder die andere, sich vor dem Wiegen in der Praxis, einmal mehr gesünder zu ernähren.

Was wird im Rahmen des DMP Adipositas untersucht?

Anhand des strukturierten Programms sollen alle Teilnehmenden des DMPs eine einheitliche Therapie erhalten. So wird der Hausarzt beziehungsweise die Hausärztin im Rahmen dieses Programms einmal pro Quartal den BMI erfassen und den Blutdruck an beiden Armen messen. Zusätzlich werden regelmäßig bestimmte Blutwerte bestimmt, die bei Übergewicht oft auffällig sind, wie Blutfette, Harnsäure und der Nüchternblutzucker. Es dürfen dann deutlich mehr Blutwerte untersucht werden als bei Menschen, die nicht in das DMP eingeschrieben sind. Blüher dazu: „Bei der ersten Untersuchung muss außerdem geklärt werden, ob das Übergewicht die Folge einer anderen Erkrankung wie etwa einer Schilddrüsenunterfunktion ist.“

Auch eine Ernährungsberatung wird vermutlich Bestandteil des Programms sein. Ziel ist eine gesunde Ernährungsweise mit einem Kaloriendefizit von etwa 500 bis 600 Kilokalorien pro Tag. Außerdem werden die behandelnden Ärzte und Ärztinnen gemeinsam mit den Betroffenen individuelle Bewegungs- und Sportprotokolle ausarbeiten. Hierbei geht es nicht nur um regelmäßigen Ausdauersport, sondern auch um Krafttraining, um die Muskelmasse trotz der Gewichtsabnahme zu erhalten.

Was ist das Ziel des DMP Adipositas?

Bei Menschen mit einem BMI unter 35 liegt das Ziel zur Gewichtsreduktion bei mindestens fünf Prozent des Ausgangsgewichts innerhalb des erstes Jahres. Bei Personen mit einem BMI ab 35 wird eine Abnahme von mindestens zehn Prozent angepeilt.

Das DMP Adipositas hat letztendlich zwei wichtige Anliegen: Zum einen geht es darum, die Versorgung von Menschen mit krankhaftem Übergewicht zu verbessern. Zum anderen will man aber auch klarmachen, dass Adipositas eine Krankheit ist, die behandelt werden kann und vor allem auch behandelt werden sollte.


Quellen:

  • Gemeinsamer Bundesausschuss: Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über die 34. Änderung der DMP-Anforderungen-Richtlinie. Online: https://www.g-ba.de/... (Abgerufen am 12.04.2024)
  • Deutsche Diabetes Gesellschaft: DDG: Disease Management Programm „Adipositas“ ebnet den Weg für spezifische Weiterbildungen. Online: https://idw-online.de/... (Abgerufen am 04.04.2024)