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Den Anschnallgurt greifen, die Jacke anziehen — das fällt Personen mit einer „Frozen Shoulder“ schwer. Bei der auch „Schultersteife“ genannten Krankheit könne der Schmerz „wie ein Messerstich in die Schulter“ fahren, sagt Dr. Maike Müller, Chefärztin für Schulter- und Ellenbogenchirurgie der Vivantes Kliniken in Berlin. Zum Schmerz kommt allmählich eine Bewegungseinschränkung: Betroffene, die in Müllers Sprechstunde kommen, können den Arm oft schon nicht mehr vom Körper wegbewegen. Das ist typisch für die zweite Phase der Erkrankung.

Eine Frozen Shoulder entsteht durch eine Entzündung der Schultergelenkkapsel.

Eine Frozen Shoulder entsteht durch eine Entzündung der Schultergelenkkapsel.

Was ist die Ursache der Frozen Shoulder?

„Bei einer Frozen Shoulder handelt es sich um eine Entzündung der Schultergelenkkapsel“, erklärt Dr. Friedrich Dehlinger, leitender Arzt der Schulter- und Ellenbogenchirurgie der Acura Fachklinik in Albstadt. Die Ursache dafür ist meist unklar, krankhafte Veränderungen am Knochen oder Knorpel seien für gewöhnlich keine vorhanden, sagt Dehlinger.

Phase 1 – Entzündungsphase: Starke Schmerzen, Schulter wird allmählich steifer.

Phase 1 – Entzündungsphase: Starke Schmerzen, Schulter wird allmählich steifer.

Um dies auszuschließen, führen Ärztinnen und Ärzte in der Regel eine Röntgenuntersuchung durch, im Zweifel auch eine Magnetresonanztomographie (MRT). So empfiehlt es die aktuelle Leitlinie „Schultersteife“ der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, an der Dehlinger federführend mitgearbeitet hat. „Die Gelenkkapsel ähnelt einem dünnen Häutchen; durch die Entzündung verdickt und vernarbt es. Das schränkt die Beweglichkeit des Gelenks ein“, veranschaulicht Dehlinger die Problematik.

Wie viele Menschen sind von Frozen Shoulder betroffen?

Die gute Nachricht: Die Entzündung und die Schmerzen sind manchmal schon nach einigen Monaten weg — und die Beweglichkeit wieder da. Im Laufe ihres Lebens erkranken zwei bis fünf Prozent aller Menschen an einer Frozen Shoulder, Frauen etwa 50 Prozent häufiger als Männer, meistens im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Bei rund einem Drittel sind beide Schultern betroffen, meist um zwei bis drei Jahre versetzt.

Phase 2 – Einsteifungsphase: Arm lässt sich kaum noch bewegen, Schmerz lässt nach.

Phase 2 – Einsteifungsphase: Arm lässt sich kaum noch bewegen, Schmerz lässt nach.

Wer hat ein hohes Risiko für eine Frozen Shoulder?

Laut einer großen Datenanalyse ist das Risiko bei Menschen mit Diabetes im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung fast vierfach erhöht, wobei die Erkrankung bei Typ-2-Diabetes häufiger auftritt als bei Typ 1. Eine Rolle spiele wohl, dass Betroffene mehr zu Entzündungen neigen als gesunde Personen, sagt Müller. Eine endgültige Antwort hat die Wissenschaft jedoch nicht. Vorbeugen ist daher schwierig. Das Risiko lasse sich zumindest senken, indem man den Blutzucker gut einstellt, betonen beide Fachleute. Es gibt nämlich Hinweise, dass schlechte Blutzuckerwerte eine Schultersteife begünstigen.

Phase 3 – Auftauphase: Die Schulter „taut auf“: Beweglichkeit kehrt zurück.

Phase 3 – Auftauphase: Die Schulter „taut auf“: Beweglichkeit kehrt zurück.

Was hilft gegen die Frozen Shoulder?

Während der ersten Phase wird die Entzündung medikamentös behandelt — oft mit Kortison, das direkt in die Schulter gespritzt wird. Vorsicht: Das Medikament kann den Blutzucker erhöhen, weshalb Menschen mit Diabetes nicht unbedingt dazu geraten wird. Falls doch, gilt es, die Werte gut im Blick zu behalten und gegebenenfalls die Diabetes-Behandlung anzupassen. Starke Schmerzen lassen sich durch entsprechende Schmerzmittel lindern.

In der zweiten und dritten Phase hilft Physiotherapie dabei, die Beweglichkeit der Schulter wiederherzustellen. Wichtig ist, dass die Betroffenen nach professioneller Anleitung auch selbstständig zu Hause üben. „Durch viele kleine aktive Bewegungen wird die Narbe wieder in elastisches Kapselgewebe umgewandelt“, erklärt Müller.

Eine OP, bei der Verwachsungen gelöst werden, empfehlen die Fachleute nur in Ausnahmefällen, etwa wenn die Erkrankung ungewöhnlich lange dauert. Der Eingriff erfolgt in der Regel minimalinvasiv. Die gute Nachricht: „In 90 bis 95 Prozent der Fälle ist eine OP aber nicht notwendig“, sagt Dehlinger.


Quellen:

  • Tasto J P, Elias D W: Adhesive capsulitis . In: Sports Medicine and Arthroscopy Review 01.12.2007, 15: 216-221
  • Dyer B P, Rathod-Mistry T, Burton C et al. : Diabetes as a risk factor for the onset of frozen shoulder, A systematic review and meta-analysis. In: BMJ Open 04.01.2023, 13: 062377
  • Whelton C, Peach C A: Review of diabetic frozen shoulder. In: European Journal of Orthopaedic Surgery & Traumatology 01.11.2017, 28: 363-371
  • Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V., Deutsche Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie e.V.: Schultersteife, eine S2e Leitlinie. Leitlinie: 2022. AWMF online: https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 02.01.2024)

  • Chan J H, Ho B S, Alvi H M et al. : The relationship between the incidence of adhesive capsulitis and hemoglobin A1c. In: Journal of Shoulder and Elbow Surgery 08.05.2017, 26: 1834-1837