Logo der Apotheken Umschau

Zwei Süßigkeiten der Firma KKB Sweet & More wurden aus dem Verkauf zurückgerufen, vom Verzehr wird abgeraten. Betroffen sind die Sorten „Tropical“ und „Watermelon“ von Sour Patch Kids.[1] Der Grund für den Rückruf: Die Süßigkeiten enthalten den seit 2022 in Lebensmitteln verbotenen Zusatzstoff Titandioxid (E171). In Zusammenhang mit Titandioxid könne eine erbgutschädigende Wirkung nicht ausgeschlossen werden, heißt es in dem Rückruf.

Was ist Titandioxid und wo kommt es vor?

Titandioxid ist ein Zusatzstoff, der wegen seiner leuchtend-weißen, deckenden Farbe häufig verwendet wird. Allein in Europa werden jedes Jahr mehr als 1 Million Tonnen Titandioxid produziert und verarbeitet. Rund 90 Prozent davon werden als Weißpigment in Lacken, Farben, Kunststoffen und Papier genutzt. Etwa 10 Prozent werden als Zusatz für Kosmetika (unter der Bezeichnung CI 77891), Tierfuttermittel und zur Herstellung von Arzneimitteln verwendet.[2]

Bis 2022 kam Titandioxid auch in zahlreichen Lebensmitteln als Zusatzstoff unter der Bezeichnung E171 vor, unter anderem in Süßwaren und Überzügen, etwa für Dragees und Kaugummis. Seit 2022 hat die Europäische Kommission den Einsatz von Titandioxid in Lebensmitteln verboten, weil eine Gesundheitsgefährdung durch Titandioxid nicht sicher ausgeschlossen werden könne.[3]

Ist Titandioxid gesundheitsschädlich?

Bereits seit Längerem wird von Forschern und Behörden weltweit untersucht, ob und welche Auswirkungen Titandioxid auf die menschliche Gesundheit haben kann. Dabei kommt es auch auf die Kontaktarten und Aufnahmewege an: Titandioxid kann mit der Haut in Berührung kommen, es kann eingeatmet werden und wegen seiner geringen Größe bis in die Lungen gelangen. Und es kann – wie es bei Lebensmitteln der Fall war – über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen werden.

Über die Haut wird Titandioxid nach derzeitigem Kenntnisstand nicht in den Körper aufgenommen.[2] Das europäische Scientific Committee on Consumer Safety (SCCS) stuft Titandioxid etwa als Bestandteil von Sonnencremes, wo es auch als UV-Filter eingesetzt wird, als unbedenklich ein. Entsprechend dürfte auch von Oberflächen keine Gefahr ausgehen, die zum Beispiel mit Farben oder Lacken behandelt wurden, die Titandioxid enthalten.

Anders sieht die Gefahrenlage beim Einatmen von Titandioxid aus: Dies wird von der SCCS als gesundheitlich bedenklich bewertet. So kann laut der Stellungnahme des SCCS Titandioxid indirekt und womöglich auch direkt Genmutationen herbeiführen.[4] Und Genmutationen können letztlich unter anderem zu Krebs führen. Entsprechend hat die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) Titandioxid als „karzinogen beim Einatmen“, also als krebsbegünstigend, eingestuft.[2] Deshalb sind Nano-Partikel von Titandioxid in Anwendungen, die eingeatmet werden können, durch die EU-Kosmetikordnung schon länger verboten.[2]

Wie gesundheitsschädlich ist Titandioxid in Lebensmitteln?

Wie sich Titandioxid auf die Gesundheit auswirkt, wenn es Lebensmitteln zugesetzt und durch den Magen-Darm-Trakt aufgenommen wird, ist derzeit unklar. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit führte über mehrere Jahre eine umfangreiche Begutachtung der wissenschaftlichen Studien zum Thema durch.

Einerseits fand man nach systematischer Analyse von mehr als 200 Publikationen keine Studie, in der überzeugend erbgutschädliche Wirkungen nachgewiesen werden konnten. Zugleich konnte der Verdacht aber auch nicht überzeugend widerlegt werden. [5]Daher komme das Gremium zu dem Schluss, „dass Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff nicht mehr als sicher angesehen werden kann“, sagte Professor Maged Younes, Vorsitzender des EFSA-Sachverständigengremiums für Lebensmittelzusatzstoffe und Aromastoffe (FAF), bei der Präsentation der Ergebnisse im Mai 2021.[5]

Wenige Monate später, im Oktober 2021, beschloss die EU-Kommission zur Sicherheit ein Verbot der Verwendung von Titandioxid als Lebensmittelzusatz, es wurde 2022 bindend.

Warum kommt Titandioxid noch in Medikamenten vor?

Wenn Titandioxid als Lebensmittelzusatz verboten ist, weil eine Aufnahme durch den Magen-Darm-Trakt nicht als sicher angesehen wird – warum bleibt es dann trotzdem als Zusatz von Medikamenten erlaubt? Diese Frage drängt sich auf, weil man eine Tablette ja auch schluckt und die Inhaltsstoffe im Verdauungstrakt aufgenommen werden. Tatsächlich hat die Europäische Kommission die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) beauftragt, ein Verbot von Titandioxid als Bestandteil von Arzneimitteln zu prüfen.[6]

Doch die EMA hat gebremst: In vielen Fällen gebe es keine Alternative zu Titandioxid, das immerhin in rund 91.000[6] Arzneimitteln enthalten ist. Wenn Titandioxid kurzfristig verboten würde, sei damit zu rechnen, dass es zu Arzneimittelengpässen komme. Daher darf Titandioxid vorläufig weiter in Arzneimitteln verwendet werden. Die EMA appelliert jedoch an die pharmazeutische Industrie, die Forschungsanstrengungen zu erhöhen, um zügig einen geeigneten Ersatz für Titandioxid zu finden.[7] Ob ein Medikament Titandioxid enthält, steht im Beipackzettel.

37359003_bc20e1b4eb.IRWUBPROD_7OFF.jpeg

Lieferengpass: Was tun?

Aktuell sind etliche Arzneien nicht oder nur schwer erhältlich – darunter einige häufig benötigte. Was können Patienten tun, wenn ihr Medikament betroffen ist? zum Artikel

Worauf können Verbraucher achten, um Risiken aus dem Weg zu gehen?

Dank der Kennzeichnungspflicht kann man als Verbraucher häufig mit einem Blick erkennen, ob Titandioxid in einem Produkt enthalten ist. Neben dem Echtnamen „Titandioxid“ wird es in Lebensmitteln oder Arzneien auch „E171“ genannt. Zwar ist E171 seit 2022 in Lebensmitteln verboten, allerdings durften bereits produzierte Lebensmittel mit E171 noch verkauft werden. Gerade bei langhaltbaren Lebensmitteln wie Süßigkeiten besteht daher immer noch – wenn auch sehr kleines – Risiko, dass man im Supermarkt zu einem Produkt mit E171 greift.[8]

In Kosmetika und auch in Zahnpasta wird Titandioxid meist als „CI 77891“ gekennzeichnet[2]. Gerade bei Zahnpasta, die insbesondere bei kleineren Kindern zum Teil noch geschluckt wird, kann es Sinn machen, darauf zu achten. Ein seltener Sonderfall sind Sonnencremes, die als Spray verkauft werden: Enthalten sie CI 77891, sollte man beim Einsprayen darauf achten, nicht direkt danach tief einzuatmen – was aber ohnehin nur eine seltene Ausnahme sein dürfte.[9]

Lesen Sie auch:


Quellen: