Logo der Apotheken Umschau

Als ich aufwache, spüre ich: Heute ist wieder so ein Tag. Der Berg ruft. Ein Blick auf die Uhr: halb sechs. Noch genug Zeit, um Kaffee zu kochen. Etwas verschlafen schnappe ich mir Thermobecher und Yogamatte – los geht’s. Im Halbdunkel steige ich die steile Treppe hinterm Haus hinauf. Das kostet Überwindung. Doch ich weiß: Bald geht die Sonne auf.

Die Gedanken hinter sich lassen

Ein schmaler Pfad führt weiter bergauf, Richtung Löwenfelsen. Einst stand hier eine Burg, sie soll das gesamte Plateau bedeckt haben. Der höchste Punkt liegt gut 30 Meter über dem Städtchen Blaustein in der Nähe von Ulm. Spaziergänger kommen meist von der anderen Seite, die besser zugänglich ist.

Der Pfad, den ich nehme, ist steil und ein bisschen zugewachsen. „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht“, denke ich. Kafka lässt grüßen. Natürlich achte ich darauf, keine Pflanzen und Tiere zu zertrampeln. Disteln, Dost und Thymian ziehen seltene Schmetterlingsarten an. Insgesamt ist die Landschaft eher karg, typisch für die Schwäbische Alb.

24934947_a17ecae064.IRWUBPROD_R73B.jpeg

Sechs Wandertypen im Überblick

Vom Altherren-Sport zum Trendsetter: Wandern erlebt ein Comeback - und lockt dabei ganz unterschiedliche Typen vor die Tür zum Artikel

Beim Gehen kommen mir viele Gedanken. Was muss ich heute bei der Arbeit erledigen? Welche Termine stehen an? Ich merke, dass ich schneller werde. Auf dem ersten Felsvorsprung halte ich kurz an und atme die würzige Morgenluft ein.

Ich blicke zurück auf das Haus, in dem ich lebe. Meine Wohnung – nur eine von vielen. Bewusst langsam gehe ich weiter, finde meinen Rhythmus. Jeder Schritt ein Atemzug. Mit jedem Schritt versuche ich, einen Gedanken hinter mir zu lassen. So komme ich immer leichter voran.

Ein Teil von etwas Größerem sein

Schon habe ich das nächste Plateau erreicht, etwas größer als das erste. Ich schaue hinunter auf den Ort. Auf den Straßen ist kaum jemand unterwegs. Die Häuser, die Menschen – alles wirkt so klein. Die Berge würden ihm helfen, sich selbst zu relativieren, hat ein Bekannter mal gesagt, ein richtiger Berg-Fan.

Zuerst habe ich nicht verstanden, was er meint. Vor dem Hintergrund der Berge begreife man, dass man nur ein winziges Rädchen in einem Uhrwerk sei, erklärte er weiter: „Man muss sich also nicht so wichtig nehmen.“ Ein Rädchen von vielen zu sein, bedeute aber auch, dazuzugehören. In den Bergen fühle er: „Ich bin Teil von etwas Größerem, dem Ganzen.“

Redakteurin Annika Röcker liebt es, morgens auf ihren „Hausberg“ zu steigen und den Tag zu begrüßen.

Redakteurin Annika Röcker liebt es, morgens auf ihren „Hausberg“ zu steigen und den Tag zu begrüßen.

Vielleicht zieht es deshalb so viele Menschen auf Gipfel. An sonnigen Wochenenden gleichen die Wanderwege im Allgäu Ameisenstraßen. Ob man dabei Abstand gewinnen kann? Ich bezweifle es. Und wie geht es den Bergen damit? Der Klimawandel setzt ihnen ganz schön zu. Und die Menschen hinterlassen Müll. Auch auf meinem Hausberg liegen immer wieder Chipspackungen und leere Flaschen herum. Wenn ich daran denke, nehme ich eine Tüte mit und sammle den Müll ein. Der Berg tut mir gut, also möchte ich auch ihm guttun.

Mit Yoga in den Tag starten

Mittlerweile blitzen die ersten Sonnenstrahlen durch die Felsen. „Kikeriki!“ Der Hahn vom Hof im Tal klingt fast herausfordernd: Beweg dich! Ich rolle die Yogamatte aus und stelle mich daneben. Die Luft ist frisch. Ich nehme einen tiefen, vollen Atemzug und breite die Arme aus, als wollte ich die Sonne umarmen. Die Gelenke fühlen sich noch etwas steif an. In aller Ruhe mache ich ein paar Übungen auf der Matte.

Langsam dringen immer mehr Geräusche zu mir hoch: Kinder, die lachend Richtung Schule strömen. Busse, die dröhnend vorbeifahren. Die Stadt erwacht zum Leben. Die Sonne steht nun voll am Himmel. Der Alltag ruft! Einen Moment nehme ich mir aber noch. Im Schneidersitz setze ich mich auf meine Yogamatte und trinke einen Schluck dampfenden Kaffee. Wie wohl das tut!

Ich halte mein Gesicht in die Sonne. Ihre Strahlen wärmen meine Haut. Es fühlt sich an, als würde sie mich anlächeln. Während ich meinen Becher austrinke, versuche ich, das Licht und die Wärme in mich aufzusaugen. So fühle ich mich gut gerüstet für den Tag, der mir bevorsteht.