Warum Eiweiß im Alter wichtig ist
Wer ausreichend Proteine zu sich nimmt, beugt altersbedingtem Muskelschwund vor. In welchen Lebensmitteln besonders viel Eiweiß steckt
Täglich ein Steak und ordentlich Magerquark – Schwerathleten und Bodybuilder legten schon immer Wert auf eiweißreiches Essen. Mehr und mehr interessieren sich auch Forscher für das Thema Eiweiß, allen voran Alternsforscher. Erst vor Kurzem haben sich führende Experten an einen Tisch gesetzt und Hunderte von Studien ausgewertet. Ihr Fazit: Ältere brauchen mehr Eiweiß als bisher gedacht. Denn mit den Jahren nutzt der Körper Milch, Fleisch und Co. schlechter aus – mit zum Teil fatalen Folgen. Um bei Kräften zu bleiben, sollten Senioren besonders auf eine gute Versorgung achten.
Ohne Eiweiß läuft nichts. Im Körper ist es der Baustoff schlechthin: nicht nur für Muskeln, auch für Bänder und Knochen. Proteine sind Teil des Immunsystems und halten den Stoffwechsel in Gang.
Eiweiß: Nicht nur in Fleisch und Milch
Allerdings ist Eiweiß nicht gleich Eiweiß. Ein gutes ist leicht verfügbar und liefert dem Körper genau die Bauteile, die er braucht. Fleisch, Fisch und Eier sind als prima Quellen lange bekannt, ebenso Milch.
Aber auch pflanzliche Lebensmittel, allen voran Linsen, mischen als Eiweißlieferanten mit. Die zunehmende Zahl an Vegetariern hat uns einige neue Quellen beschert: Tofu, Süßlupinen, Aufstriche aus Sonnenblumenkernen etwa (siehe unten). "Vegetarier leiden nicht an Eiweißmangel, solange sie Milch und Käse essen", sagt Jürgen Bauer. Nur von der veganen Kost rät der Professor Senioren ab. "Es fehlt der Beleg, dass das im Alter eine sinnvolle Ernährungsform ist."
Muskelmasse geht im Alter verloren
Ob Vegetarier oder Fleischesser, um die Eiweißversorgung aktiver, fitter Senioren macht Bauer sich keine Sorgen. Aus seinem Klinikalltag kennt er aber auch Ältere, die nicht gut beieinander sind. Ihnen setzt ein Infekt viel mehr zu. Mehr noch: Auch chronische Krankheiten verlaufen schwerer. "Dabei wirken diese Patienten keineswegs gebrechlich, sie sind aber auf dem besten Weg dahin."
Auch Muskeln altern, das ist ganz normal. Ab etwa 50 Jahren verlieren sie jährlich ein bis zwei Prozent an Masse. Doch bei nicht wenigen Senioren geht es deutlich schneller abwärts. Dann strengt jedes Aufstehen vom Stuhl an, und man schafft die frühere Gehstrecke nicht mehr, einfach weil die Kraft ausgeht. Jeder zehnte zu Hause lebende Senior ist betroffen, schätzen Experten, im Heim gar fast jeder Dritte.
Die Gründe: Jede Krankheit zehrt an einem, viele sind im Alter weniger körperlich aktiv. Vor allem aber liegt es am Essen: zu wenig insgesamt und besonders zu wenig Eiweiß, weil oft der Appetit fehlt. Verlorene Muskeln wieder aufzubauen fällt im Alter ungleich schwerer. "Bitte keine Experimente mit Diäten", mahnt Bauer. Jeder Gewichtsverlust, ob beabsichtigt oder nicht, geht auch auf Kosten der Muskeln. Man merkt es oft nicht sofort, "aber vier, fünf Jahre später bereut man die Diät". Abnehmen sollten Ältere nur, wenn der Arzt dazu rät.
Kraftformel: Eiweiß plus Training
Aber kann man dem Muskelabbau nicht noch anders entgegenwirken? Mit dieser Frage beschäftigt sich Dr. Eva Kiesswetter vom Institut für Biomedizin des Alterns in Nürnberg. Für sie steht fest: "Die Kraft trainieren und Eiweiß essen – beides ist wichtig." Beides reizt den Muskel, Masse aufzubauen, "im Alter leider weniger stark als früher".
Daher empfehlen Alternsforscher gesunden Senioren heute 20 bis 30 Prozent mehr Eiweiß als Jüngeren. Demnach sollte eine ältere Frau, 65 Kilo schwer und normalgewichtig, etwa 65 Gramm Eiweiß am Tag essen. "Mit drei Scheiben Käsebrot, einer Portion Fleisch oder Fisch und einem Glas Milch ist dieses Soll erfüllt", rechnet Kiesswetter vor. "Keine Mahlzeit ohne", rät Bauer zudem. Studien legen nahe, dass der Muskelaufbau dann am besten in Gang kommt.
Eiweiß macht satt
Bringt mehr Eiweiß auch mehr Muskeln? "Nein", sagt Bauer und fügt hinzu: "Wer zu eiweißbetont isst, kommt vielleicht nicht auf genug Kalorien, denn Eiweiß sättigt sehr." Was die Belastung für die Niere angeht, die die Eiweißüberschüsse ausscheiden muss, gibt er Entwarnung: "Für die gesunde Niere kein Problem."
Ab sofort nur noch ans Eiweiß zu denken, wäre aber einseitig. Es spricht einiges dafür, dass auch Vitamine, Mineralstoffe und gesunde Fette zum Muskelerhalt beitragen. Gemüse und Obst, Vollkorn und gute Pflanzenöle dürfen nicht fehlen. Der bunte Mix macht’s.
Lebensmittel mit hohem Eiweiß-Anteil


Fleisch
Man wird dadurch nicht stark wie ein Bulle, isst aber konzentriertes hochwertiges Eiweiß. 125 Gramm erfüllen schon das halbe Tagessoll. Aber nicht täglich essen, Fett und Purine belasten das Herz und fördern Gicht.

Linsen
Hülsenfrüchte garantieren auch Vegetariern eine gute Eiweißversorgung. Sie sind zudem reich an Vitamin B1 und Eisen, die ohne Fleisch knapp werden können. Lecker: Pasta mit Linsenbolognese.
Fisch
Viel leicht verdauliches Eiweiß, dazu Jod (in Seefisch): Grund genug, Fisch zwei- bis dreimal pro Woche zu essen. Wahrscheinlich unterstützen auch Vitamin D sowie die Fette in Lachs, Makrele und Hering den Muskelerhalt.

Tofu
Die Sojabohne – eine besonders eiweißreiche Hülsenfrucht – ist als Fleischersatz prädestiniert. Bekanntestes Produkt: Tofu. Er kaut sich wie Mozzarella, verträgt ordentlich Würze und ersetzt in Currys die Fleischwürfel.

Hühnerei
Eine der hochwertigsten Eiweißquellen. Überraschend: Der größere Teil steckt nicht etwa im Eiklar, sondern im Dotter. Keine Angst vor dem Cholesterin: An erhöhten Blutspiegeln ist nicht das tägliche Frühstücksei schuld.

Käse
Besteht zu fast einem Viertel aus Eiweiß. Versuchen Sie, ihn zu jeder fleisch- oder fischlosen Mahlzeit in Ihren Speiseplan einzubauen: Als Käsebrot, übers Gemüse oder die Pasta gestreut und in Form von Quark aufs Honigbrot.

Süßlupine
wird als Eiweißquelle neu entdeckt. Sie gehört wie Soja zu den Hülsenfrüchten, ist aber fettärmer als diese und gedeiht auch in Deutschland. Das Mehl kann Teige mit Eiweiß anreichern. Achtung: Allergien möglich!

Joghurt
Ihm wird für mehr Stichfestigkeit Milchpulver zugesetzt. Er enthält daher mehr Eiweiß als Milch. Ein Teil davon ist schnell verfügbar und reizt den Muskel besonders, Masse aufzubauen – ideal nach einer Einheit Krafttraining.

Reis
Strotzt nicht vor Eiweiß. Wenn er aber regelmäßig aufgetischt wird, leistet er doch seinen Beitrag. Vollkornreis vorziehen! Ideal kombiniert mit Hülsenfrüchten.

Kartoffeln
Borden nicht von Eiweiß über, sind aber vielseitig – als Suppe, Salat, Gratin oder Pellkartoffel. Kombiniert mit Ei ein besonders wertvolles Eiweiß.

Sonnenblumenkerne
Sind von allen Nüssen die eiweißreichsten. Lecker in Müsli, Brot oder als Knabberei (vorher kurz rösten). In der veganen Küche auch als Aufstrich.

Vollkornbrot
Gibt es angereichert mit Samen oder Lupinenmehl als Eiweißbrot, aber auch das herkömmliche ist schon eine zuverlässige Eiweißquelle.