Aufatmen: Leben mit COPD
COPD-Patienten können viel tun, damit ihre Krankheit nicht fortschreitet. Mit einem Mix aus Medikamenten, Bewegung und Atemtechnik gelingt das immer besser

Man tut es automatisch, ohne darüber nachzudenken: Rund fünfzehn Mal pro Minute atmen wir ein und aus. Über den Tag verteilt strömen an die 10 000 Liter Luft durch das weitverzweigte Wegenetz der Lunge. Sauerstoff gelangt in unser Blut, das Kohlendioxid atmen wir aus. Erst wenn uns der Atem wegbleibt oder uns ein starker Husten nach Luft ringen lässt, wird uns bewusst: Ein Leben ohne diesen Gasaustausch geht nicht. Und es wird äußerst beschwerlich, wenn dieser Austausch nur ein bisschen ins Stocken gerät. Rund sieben Millionen COPD-Patienten in Deutschland müssen das jeden Tag am eigenen Leib erfahren. Doch sie haben allen Grund zur Hoffnung: Das Netz an Unterstützungsmöglichkeiten wächst.
Das Kürzel COPD steht für eine Lungenerkrankung, bei der die hochentzündeten, verkrampften Bronchien quasi die Tür zumachen und damit wenig Luft hinein- und noch weniger herauslassen. Die Luftwege füllen sich mit zähem Schleim, was häufiges Husten verursacht. Die Bronchien werden für Infekte zunehmend anfälliger. Aufgrund der Umbauprozesse im Lungengewebe gelangt im Verlauf der Erkrankung immer weniger Sauerstoff ins Blut. Und das hat Folgen: Anfangs raubt einem nur das Treppensteigen den Atem. Später rufen kleinste Schritte und Handgriffe die Atemnot hervor. Lungenärzte sprechen von einer schleichenden Krankheit, weil diese die unglückliche Tendenz hat, sich langsam, aber stetig zu verschlimmern.
Was heißt eigentlich COPD?
englisch: Chronic Obstructive Pulmonary Disease
deutsch: chronisch-obstruktive Bronchitis
chronisch = Die Krankheit besteht lebenslang
obstruktiv = Die Atemwege sind verengt
Bronchitis = Die Atemwege sind entzündet
Theoretisch. Denn in den vergangenen Jahren ist jenseits der medikamentösen Behandlung viel geschehen. "Sprays und Sauerstoff allein reichen nicht aus, um alle Einschränkungen, die die Erkrankung mit sich bringt, auszugleichen", sagt Professor Michael Pfeifer, Lungenarzt von der Uni Regensburg und Chef der Lungen-Klinik in Donaustauf. "Unabhängig davon, dass mit dem Rauchstopp alles steht und fällt: sich regelmäßig bewegen, die Atemmuskeln stärken, sich gesund ernähren – das trägt ähnlich zum Erfolg der Behandlung bei."
Das Lungenleiden ist zwar eine lebenslange Erkrankung, aber die Betroffenen können verhindern, dass sich ihr Atemsystem weiter verändert. Auch Lungenarzt Dr. Stefan Heindl aus Gauting bei München versucht, seine Patienten davon zu überzeugen: "Sie haben es selbst in der Hand, Einschränkungen zu lindern, um sich ein weitgehend gutes und barrierefreies Leben zu ermöglichen." Eine Bedingung dafür allerdings wäre, dass Patienten die Warnsignale einer COPD – Schleimauswurf, Dauerhusten und eine zunehmende Atemnot – als Warnung verstehen und sie möglichst bald ärztlich abklären lassen.
Raucherhusten ernst nehmen
Häufig aber verhindert ein fatales Missverständnis das zeitige Einschreiten: Wer raucht, muss eben husten. Doch das stimmt nicht! Raucherhusten ist vielmehr ein Zeichen einer Dauerentzündung der Atemwege, die sich mit zähem Schleim wehren. Dieser aber findet kaum den Weg nach draußen, weil die „Reinigungskräfte“, die Flimmerhärchen, ausfallen. Die Bronchien verengen sich. Aus dem Raucherhusten wird eine COPD, die schlimmstenfalls in ein Emphysem mündet: Die Lunge überbläht sich.
Nur in wenigen Fällen stecken hierzulande Schäden durch berufsbedingte giftige Stoffe oder Gase, Feinstäube, Dauersmog oder gar genetische Ursachen dahinter. Das Gift der Zigarette ist und bleibt die Hauptursache der Krankheit. Zwischen 80 und 90 Prozent der COPD-Patienten haben geraucht oder rauchen weiter. Viele von ihnen trauen sich nicht zum Arzt, weil sie sein strenges Rauchverbot fürchten. Dieser muss sich dann oft mit kleineren Behandlungserfolgen abfinden, bedauert COPD-Experte Pfeifer, da "Patienten eine weitaus schwerere Form der Krankheit entwickeln, wenn sie weiterrauchen". Selbst die modernste Behandlung rückt nur den Symptomen zu Leibe, also dem Husten, der Verschleimung und Luftnot. Eine Chance auf Erholung der Lunge verspricht allein der Nikotinverzicht – je früher, desto besser. "Rauchstopp lohnt sich", ermuntert Lungenarzt Heindl, "zu jedem Zeitpunkt!" Ärzte wie Apotheker informieren über Therapien und Kurse, die beim Aufhören helfen.

Therapiepaket schnüren
Wer nicht zum Arzt geht, erhält auch keine Diagnose. Nur wenn diese feststeht, können notwendige Therapieschritte folgen. Medikamente, die der Patient regelmäßig inhaliert, bilden die Basis. In schweren Fällen verordnet der Arzt zusätzlich Sauerstoff. Spezielle Atem-Physiotherapien wirken unterstützend. COPD-Patienten sollten sich zudem einmal gegen Pneumokokken und jährlich gegen Grippe impfen lassen. In Schulungen lernen sie, wie man richtig inhaliert, richtig hustet und per Lippenbremse gleichmäßig ausatmet.
„Viele Patienten trauen sich beim Arzt nicht nachzufragen, wie ein Inhalator oder Spacer funktioniert“, weiß Apotheker Hannes Höltzel aus Reutlingen aus Erfahrung. Für sie seien Apotheken daher gute Anlaufstellen. Ältere tun sich oft schwer mit der Koordination: Die Einatmungstechnik bei Dosier-Aerosolen oder Pulverinhalatoren hat ihre Tücken. „Anwendungsfehler sind nicht banal. Der Wirkstoff kommt oft gar nicht an“, warnt er. „Das muss geübt werden.“
Eine Art Allround-Kurs in Sachen Atmung bietet Patienten schließlich eine Lungensportgruppe. „Aus Angst vor Luftnot bewegen sich COPD-Patienten kaum“, berichtet Michaela Frisch, Therapieleiterin der Espan-Klinik in Bad Dürrheim und Vorstandsmitglied der AG Lungensport. Bewegung aber steigert das Wohlbefinden und die Lebensqualität.
Geeignete Medikamente
- Für Dauereinsatz: bronchien-erweiternde Medikamente, meist Sprays oder andere Inhalatoren
- Für den Notfall: kurz wirksame Sprays bei starker Atemnot
- Nur in ausgewählten Fällen: Kortisonsprays helfen gegen entzündete Bronchien
- Zusatzhilfe: Spezielle Geräte, in die der Patient hineinatmet, unterstützen das Schleimlösen. Beim Ausatmen erzeugen sie Schwingungen, die an die Bronchien heranreichen
Sportstunde zum Aufatmen
Mehr noch, betont Lungensport-Verfechterin Frisch: „Körperliches Training kann den Verlauf der Krankheit sogar abbremsen.“ Spielerisch stärken die Patienten dabei ihre geschwächte Atemmuskulatur, bauen zurückgebildete Muskeln wieder auf und erfahren, wie sie zu Hause mit Handtuch und Wasserflasche weiter trainieren. Oder wie sie es schaffen, trotz knapper Puste die Spülmaschine auszuräumen oder auf dem Balkon Blumen zu gießen. Auf Michaela Frischs Stundenplan steht auch, welche Körperpositionen das Atmen erleichtern, wie man sich günstig ernährt oder wie die Hilfsmittel zum Schleimlösen richtig funktionieren.
Nicht zu vergessen der psychische Vorteil: Die Selbstsicherheit der Übenden wächst, „die Patienten trauen sich in ihrem Alltag wieder mehr zu“, freut sich Frisch. In einer Gruppe fühle man sich unter Gleichgesinnten, die einen verstehen. Das locke selbst erschöpfteste Patienten aus dem Haus. Umso wichtiger, sich einer Lungensportgruppe anzuschließen und unter der beruhigenden Aufsicht eines ausgebildeten Übungsleiters neu atmen zu lernen
„Die Zeit der Schonung ist vorbei“, formuliert es Ursula Krütt-Bockemühl. Die Leiterin einer der ersten COPD-Selbsthilfegruppen der Deutschen Sauerstoffliga weiß, wovon sie spricht. Selbst Lungenpatientin seit 17 Jahren, gilt sie als Pionierin in Sachen Selbstmanagement: „Runter vom Sofa und raus an die Luft!“, feuert die Augsburgerin die Teilnehmer ihrer Selbsthilfe- und Schulungsgruppen an. „Eine Gruppe übt auch einen sozialen Druck aus, der gerade depressive Patienten aus der Isolation holt.“ Das gilt vor allem für jene Menschen, die eine Sauerstoff-Langzeittherapie benötigen und dazu neigen, zu Hause zu bleiben.
Gezielter Sport
- Lungensportgruppen sind auf die Bedürfnisse und Leistungseinschränkungen der Patienten abgestimmt
- Kraft, Ausdauer, Belastbarkeit werden trainiert, die Dehnungsfähigkeit der Lunge wird erhöht
- Patienten, die eine Sauerstoff-Langzeittherapie machen, können ebenfalls teilnehmen
- Lippenbremse, Kutschersitz: Auch Atemtechniken und Notfallverhalten sind Teil der Schulung
- Adressen von Lungensportgruppen in Deutschland finden Sie unter: www.lungensport.org
Mit „Nasenbrille“ unter die Leute
Glücklicherweise hat die Akzeptanz für Sauerstoffgeräte in der Öffentlichkeit zugenommen. Kleine, leicht transportierbare Modelle machen es möglich. Krütt-Bockemühl organisiert jedes Jahr einen Schiffsausflug am Ammersee für 200 Personen. „Da, wohin alle mit der Nasenbrille laufen, da sind wir.“
Extra Sauerstoff
- Ob eine SauerstoffLangzeittherapie sinnvoll ist, entscheidet der Arzt. Nur solche Patienten profitieren, bei denen ein ausgepräger Sauerstoffmangel im Blut nachweisbar ist
- Ob Gasdruckflasche, Flüssigsauerstoff oder Konzentrator: Die Einweisung in die Technik sowie die Tankfüllung übernimmt die Lieferfirma. Diese wird von der Krankenkasse bestimmt
- Mobile Geräte, die im Rucksack, Caddie oder in einer Umhängetasche verstaut werden, ermöglichen ein barrierefreies Leben
- Eine Alternative zur üblichen Nasenbrille ist die „Kickinger Sauerstoffbrille“: eine optische Brille mit Schlauchsystem
Richtige Ernährung
- Über- wie Untergewicht vermeiden. Beides belastet den Körper
- Kleinere Mahlzeiten, über den Tag verteilt, sind besser als drei große
- Vitamin- und kalziumreich mit viel Obst, Gemüse und Milchprodukten essen, denn COPD erhöht das Osteoporoserisiko
- Bei Atemnot: im Kutschersitz hinsetzen und langsam essen, auf Lippenbremse zwischen den Bissen achten