Sänger, Schauspieler, Showmaster: Peter Kraus spricht im Interview über Rock'n'Roll, Bewegung – und wie es ist, als Ex-„Bravo“-Posterboy im "Senioren Ratgeber" aufzutauchen.
von Thomas Röbke, 25.11.2019
Kraus: Man vielleicht. Ich nicht. Warum auch? Ich bin mit meinem Leben zufrieden. Natürlich hätte ich das eine oder andere anders machen können. Aber im Prinzip ist doch alles sehr gut gelaufen.
Es kommt nicht unbedingt etwas Besseres. Es kommt etwas anderes. Ab Oktober spiele ich ein Programm ohne neue Lieder, wir bringen nur Hits aus den 1950er-Jahren. Es ist eine Hommage an die Kollegen von damals und ein augenzwinkernder Blick auf meine Jugend, als viele den Rock’n’Roll zum Teufel wünschten. Es ist meine fünfte Abschiedstournee. Darum habe ich sie "Große Jubiläumstournee" genannt.
Der Rock ’n’ Roll war ja eine kurze Zeiterscheinung und wurde erst groß durch sein Comeback, ausgelöst durch die Beatles und die Stones ab 1963. In den 1950ern war er ein Nischenprodukt – aber mit hohem Entrüstungspotenzial bei den Erwachsenen. Mein Ziel war immer die Schauspielerei, mir kam dann die Musikkarriere dazwischen.
Das hatte aber eine Logik. Als Gerhard Mendelsohn, einer der größten deutschsprachigen Musikproduzenten, verkündete, dass er mit mir Rock ’n’ Roll wie in Amerika machen wolle, sagten alle: Das ist sein Ende. Dann funktionierte es aber von der ersten Platte an, und er sicherte sich für alles, was in Amerika ein Hit war, die deutschsprachigen Rechte. Also hat er ununterbrochen mit mir aufgenommen. Ich fand das einfach nur toll. Ich durfte mir die Songs aus den US-Hitparaden auswählen wie aus einer Speisekarte.
Es war das, was sich verkaufte. Die Schwierigkeit war, Rebell zu sein und trotzdem von den Eltern anerkannt zu werden. Kinder konnten damals nicht selbst bestimmen, was sie hörten und kauften. Ideal wäre der rockende Rebell gewesen, der zugleich der Traumschwiegersohn der Mutter ist.
*18. März 1939 in München als Peter Siegfried Krausnecker
Natürlich hätte ich gern mit Elvis gesungen, würde gern mit Tom Jones oder Elton John auftreten, aber meinen Helden bin ich gesanglich nicht gewachsen. Seit frühester Jugend verehre ich Frank Sinatra, mein Vater trat schon mit seinen Songs auf.
Beides hat seine Vor- und Nachteile. Als ich anfing, waren Autogrammkarten noch etwas Edles. Die konntest du in Schreibwarenläden kaufen und dann von deinem Star unterschreiben lassen. Dann haben uns die Plattenfirmen mit Autogrammkarten zum Verteilen ausgestattet. Daraus wurden Handzettel, die die Künstler paketweise von der Bühne herunterwarfen, da sind nach den Konzerten alle drübergelaufen. Das fand ich entsetzlich. Mit den Selfies kann es ganz lustig sein, aber auf Tourneen ist mir die Ansteckungsgefahr zu groß. Beim Autogrammschreiben hast du noch eine gewisse räumliche Distanz.
Mein Leben lang habe ich viel Sport gemacht, die verrücktesten Sachen, und mich niemals ernsthaft verletzt. Darum war das für mich ein richtiger Schock, ein Erwachen aus der Einbildung, ich sei unverletzbar. "Das kann nicht sein", ging mir nur im Kopf herum. Trotz der Schmerzen saß ich noch eine Stunde in der Show, weil ich dachte, das vergeht gleich wieder. Im Krankenhaus glaubte ich, mein Leben sei zu Ende – wegen einer gebrochenen Schulter, das muss man sich mal vorstellen!
Ich beobachte die anderen Autofahrer, wie sie ihre Gesichter verziehen, gestikulieren. Das fasziniert mich so, dass darüber mein eigener Ärger verfliegt. Und so versuche ich einfach überall im Unabwendbaren etwas Schönes zu finden.
Ein unruhiger Geist in einem unruhigen Körper. Das ist meine Natur. Bewegung in den Alltag einzubauen ist doch etwas Wunderbares! Außerdem habe ich mein Theraband, springe gleich nach dem Aufstehen Trampolin und fahre sehr gerne Ski.
Wenn ich aufwache, stehe ich auf. Wenn es sehr früh ist, spüre ich plötzlich die Hand meiner Frau im Rücken, die mich festhalten will: "Du schläfst jetzt noch!" Ihr zuliebe lege ich mich dann wieder hin, bis sie wieder eingeschlafen ist. Dann schleiche ich mich raus und trinke einen Espresso.
Ich habe kein Talent für Sprachen, das ärgert mich fürchterlich. Aber daran ist meine angeborene Unkonzentriertheit schuld.
Eher Altersvergesslichkeit.
Schlechtes Benehmen. Die Umgangsformen werden immer schlimmer. Junge Menschen grüßen nicht mehr. Und ich finde es entsetzlich, wenn Menschen auf der Straße mit einem Sandwich in der rechten und einem Kaffee in der linken Hand herumrennen – und mit einem Kopfhörer, über den sie gleichzeitig telefonieren.
Ich halte mich mit meinen Sünden relativ zurück und gebe ihnen nur nach, wenn es wirklich Spaß macht: Komme ich nach München, esse ich Weißwürste, sonst nie. In Wien esse ich mit Sicherheit Kaiserschmarren und Tafelspitz. Am richtigen Ort zur richtigen Zeit genossen, werden ganz einfache Gerichte zu wahren Delikatessen.